„Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.“ (Joh 10, 11)
Am 4. Ostersonntag wird in der katholischen Kirche der Sonntag des Guten Hirtens begangen. Dieser Sonntag heisst, in diesem Zusammenhang, auch Welttag der Berufungen. Der inzwischen heiliggesprochene Papst Paul VI. führte 1963, während des Zweiten Vatikanischen Konzils, diesen Feiertag ein. Im Rahmen der Heiligen Messen, die an diesem Sonntag gefeiert werden, beten die Gläubigen für Ihre Priester und für neue Berufungen zum Gott-geweihten Leben.
Anlässlich des Sonntags des Guten Hirten baten wir S.E. Martin Roos, emeritierter Bischof von Temeswar, der heuer sein goldenes Priesterjubiläum (50 Jahre seit der Priesterweihe) feiert, uns auf einer zukunftsgewandten Frage zu antworten: wie würde er die jenigen ermutigen, die daran denken der priesterliche Berufung nachzugehen?
– Priesterliche Berufung ist eine recht nüchterne Angelegenheit. Wer auf eine „Stimme vom Himmel“ warten würde, etwa auf einen brennenden Dornbusch, wie ihn Mose geschaut hat, oder eine Erscheinung, wie wir sie bei dem einen oder anderen Propheten nachlesen können, der bleibt auf der Strecke. Daher hat die katholische Kirche zur Orientierung für jeden drei Bedingungen festgesetzt: Neigung, Eignung und Annahme durch den zuständigen Bischof.
Wer in sich die Neigung zu allem Geistigen verspürt, mal stärker, mal schwächer, doch beständig Freude hat an allem, was mit Glauben, Kirche, Gottesdienst oder Gebet zusammenhängt, wer sich hingezogen fühlt zum Altar und allem, was damit zu tun hat, der sollte sich eingehender mit dem Gedanken beschäftigen und dafür sorgen, dass diese Neigung nicht ab- sondern durch Information, Überlegung, Ausdauer und Gebet neue Nahrung erhalte, vertieft werde, zunehme und wachse. Eine einmal in Ruhe und nach reiflicher Überlegung getroffene Entscheidung sollte nicht ständig wieder in Frage gestellt werden, wie man auch an den Pflanzen im Garten nicht ständig zupfen darf, damit sie schneller wachsen. Beides muss sich in Ruhe entfalten und entwickeln können: Berufung und Pflanzen!
Ob jemand aber auch zum Priestertum geeignet ist, das festzustellen, ist nicht mehr seine eigene Sache. Dazu sind die Vorgesetzten in einem Priesterseminar und die Professoren der Theologie zuständig. Dafür ist neben der geforderten intellektuellen Lernfähigkeit – die Prüfungen im Studium müssen anständig bestanden werden – eine sich positiv entwickelnde menschlich-sittliche Reife sowie ein solides, bewährtes spirituelles Lebensprogramm notwendig. Das festzustellen ist – wie bemerkt – Sache der Vorgesetzten und Professoren im Priesterseminar, wo der Kandidat sechs Jahre verbringt und seine tatsächliche Eignung unter Beweis stellen muss. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, von der keiner enthoben werden kann, noch darf. Es darf keiner geweiht werden, der nicht vorher ernsthaft geprüft worden ist. Vorgesetzte und Professoren geben ihre Stellungnahmen an den zuständigen Bischof weiter, der daraufhin alleine die letzte Entscheidung zu treffen hat.
Als Letztes kommt hinzu die Annahme durch die Kirche bzw. die Diözese, in der der junge Kandidat seinen Dienst versehen wird und zu deren Nutzen der Bischof ihn aufnimmt und weiht. Daher gibt es kein Anrecht auf das Priestertum wie auch niemand dazu gezwungen werden kann, noch darf. Priestertum ist im Letzten Wagnis und Gnade zugleich. Wagnis von Seiten des Kandidaten wie des Bischofs, Gnade von Seiten Gottes.
Sind diese drei Voraussetzungen – Neigung, Eignung und Annahme durch den Bischof – gegeben, darf der junge Mann sich getrost, vertrauensvoll und mutig auf den Weg zum Priestertum machen, zur Weihe stellen. Nach menschlichem Ermessen hat Gott ihn dazu berufen. Bis zum Ziel aber sind – wie gesagt – Ausdauer und Einsatz, Ernsthaftigkeit und harte Arbeit im Studium wie im geistlichen Leben erforderlich. Wer nicht weiß, was er will, wird dies nur schwerlich durch 6 Jahre durchhalten können. Die Bewährung des Priesters aber setzt sich nach der Weihe, im praktischen Dienst fort, wo auch mit Krisen und Schwierigkeiten zu rechnen ist, doch die „Freude am Herrn ist unsere Stärke“, wie es bei dem Propheten Nehemias (vgl. 8,10) heißt. Dies gilt erst recht von jeder priesterlichen Existenz, von jedem gewissenhaft geleisteten priesterlichen Dienst.
Wer dies ebenfalls so sieht und ernsthaft anstreben will, der findet etwa in den Versen aus Psalm 16 immer wieder neuen Mut und Aufmunterung:
Du, Herr, gibst mir das Erbe und reichst mir den Becher; du hältst mein Los in deinen Händen.
Auf schönem Land fiel mir mein Anteil zu. Ja, mein Erbe gefällt mir gut. (Ps 16, 5.6)
(Pressebüro der Diözese Temeswar)