Vor 250 Jahren entstand die schwäbische Gemeinde „Ostern“ auf der Banater Heide

Eine der umstrittenen Fragen der Banater Geschichtsschreibung, speziell der Banater Toponymie, ist die Herkunft und Deutung des Ortsnamens der ehemals rein schwäbischen Heidegemeinde „Ostern“, die heute Comloșu Mic/Klein-Komlosch heißt. Dabei wird auf eine Erläuterung entweder ganz verzichtet („kann nicht erklärt werden“) oder aber mit vollem Munde behauptet, dass der Name „Ostern“ mit den Osterfeiertagen „nichts zu tun“ habe. Obwohl in der historischen Literatur das alte Siegel des Gemeindeamtes – nicht des Pfarramtes! – von „Ostern“ bekannt ist, sucht man eine nähere Beschreibung desselben vergeblich. Irgendwo wird aber doch gesagt, dass die Inschrift des Siegels laute: „Da wir singen Alleluja“. Wäre schön, doch dem ist nicht ganz so!
Im Bischöflichen Archiv zu Temeswar befinden sich unter den Pfarrakten von „Ostern“ mehrere Abdrucke zu 27 x 30 mm des alten Dorfsiegels der politischen Gemeinde, die uns einer Lösung näherbringen können. Im Innenfeld ist der sich aus dem Grabe erhebende Heiland mit der vom Kreuz bekrönten und mit einem weiteren Kreuz gezierten Siegesfahne in der Rechten, mit zwei Nägeln in der Linken dargestellt. Die Umschrift – in eigenwilliger Orthographie – lautet: „WIER HOFEN ALE DAS IN OSTERN AN(NO) 1773.“ Ein schöner und gut lesbarer Abdruck findet sich auf einem Dokument aus dem Jahre 1788, gedrückt in roten Siegellack, mit den beigesetzten Unterschriften des Bürgermeisters, eines Geschworenen (vereidigter Ratsherr), des Notars, sowie der beiden Kirchenväter von „Ostern“.
Was die Wahl des Ortsnamens betrifft, stellt die seit Frühjahr 1772 im Entstehen begriffene Gemeinde „Ostern“ sicherlich etwas Einmaliges dar. Die Banater Gemeinden übernahmen meist die alten Ortsbezeichnungen und wählten für ihre Siegel Symbole aus der profanen Umwelt oder aus ihrer Landwirtschaft, weniger aus der Geistesgeschichte oder gar ihrer katholischen Glaubenswelt aus. Anders war dies bei den Pfarrsiegeln, die meist den Kirchenpatron, in „Ostern“ die hl. Märtyrerin Thekla, im Innenfeld zeigen. Doch wieder ganz anders lagen die Dinge im „politischen Ostern“!
Neben der ausgesprochen religiösen Einstellung der ersten Siedler, die auch in der Ortsmonographie von Dr. Peter Pink (1935) mehrfach hervorgehoben wird, scheint bei der Wahl des Ortsnamens, der erstmals im Oktober 1772 schriftlich im Taufbuch der Nachbargemeinde von Sankt Hubert als „Ostern“ erscheint, das Hochfest Ostern, das in jenem Jahr auf den 19. April fiel, eine, wenn nicht gar die entscheidende Rolle gespielt zu haben. Da eine Reihe von Siedlern bereits Anfang Februar 1772 scharenweise aus Bayern oder aus dem „Straubingischen“ kommend, von wo auch die fünf Brüder Fraunhoffer mit ihrem „Ansiedlerkreuz“ (bis heute bei den Nachkommen der Familie Fraunhoffer in Töging am Inn erhalten) sich in „Ostern“ einfanden, in Wien für das Banat registriert worden waren, so kann die Ankunft der ersten Siedlergruppen – nach einer langen Anreise von Wochen – auf den noch leeren Fluren des ehemaligen Prädiums „Mali Comlosch“, zwischen dem von Rumänen 1743 besiedelten Gemeinden (Groß-)Komlosch und der ebenfalls noch neuen deutschen Siedlung Hatzfeld-Landstreu, wohl Ende März/Anfang April 1772, unmittelbar vor den Ostertagen, mit guten Gründen angenommen werden. So weiß es auch – durchaus glaubwürdig – die mündliche Ortsüberlieferung. Es wäre zwar ebenso gut möglich, dass die Gemeinde „Ostern“ zu Ostern 1773 – damals der 11. April – von Amts wegen feierlich begründet wurde, wie es die Jahreszahl 1773 im Ortssiegel will. Beide Möglichkeiten haben einiges für sich, sind auch als gleichzeitig zutreffend gut denkbar, und bestätigen so miteinander den unmittelbaren Zusammenhang der Grundlegung von „Ostern“ in den Ostertagen 1772, spätestens zu Ostern 1773. Auf alle Fälle, so heißt es, wurden die ersten fertigen Häuser in „Ostern“ bereits im Herbst 1772 bezogen.
Neben dem Ortsnamen drückt das Gemeindesiegel in Bild und Wort die christliche Hoffnung aus, mit der die ersten Siedler von „Ostern“ sich an das neue, gewaltige Werk gemacht haben. Österliche Menschen halten an der vom Glauben an die Auferstehung Christi begründeten Hoffnung fest und leben aus ihr. Insofern kann das „Osterner“ Gemeindesiegel auch uns von heute noch manches sagen. Gleichzeitig bestätigt es auf eindrucksvolle Weise, zusammen mit der hier als zuverlässig anzusehenden Ortsüberlieferung, den unmittelbaren Zusammenhang der Gründung der Heidegemeinde „Ostern“ im Banat, wie es auch der deutsche Ortsname seit den Tagen von Ostern 1772 durch gut hundert Jahre bis 1882 festgehalten hat, als der Gemeinderat der Aufforderung des ungarischen Ministeriums voreilig und unbedacht zugestimmt hat, dass man ihre rein deutsche Ortschaft (wieder) in Kis-Komlós/Klein-Komlosch umbenenne, was man später bereut, doch vergeblich versucht hat, rückgängig zu machen. Das Volk selber aber blieb bei der herkömmlichen Bezeichnung und war stets der Überzeugung, dass es selber nach wie vor in „Ostern“ beheimatet sei!
Neben dem Siegel aus dem Jahre 1788 finden sich die Unterschriften von Hermann Felbreck(?), damals Schulz, Jacob Kirchl, Geschwohrener, Georg Huth, Schenrichther…(?)rath, Notar, Johann Müller, Kirchenvatter sowie Jacob Bosch, ebenfalls Kirchenvater.
Gesegnete Ostertage besonders denen aus „Ostern“ aber auch allen anderen Landsleuten in Nah und Fern!

+ Martin Roos, em. Bischof von Temeswar