Am 31. Juli 2021 wurde dem Bischof emeritus Dr. h.c. Martin Roos die „Prinz-Eugen-Nadel“, die höchste Auszeichnung der Landsmannschaft der Banater Schwaben verliehen. Im Rahmen eines feierlichen Aktes, im roten Empfangsraum des Bischöflichen Ordinariats, im beisein Seiner Exzellenz Josef Csaba Pál, Bischof von Temeswar, sprach Herr Peter-Dietmar Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben die Laudatio an Bischof Roos, und überreichten ihn die Auszeichnung und die Urkunde. Bischof Roos bedankte sich dafür herzlichst und unterstrich, daß er diese Ehrung als eine Ehrung aller Priester und Seelsorger unseres Bistums sieht, dass dadurch die Arbeit all unseren Priestern, in den Pfarreien und Filialen geehrt und anerkannt wird. Bischof Pál unterstrich schon am Anfang der Feier, daß die Arbeit seines Vorgängers nicht vergessen werden darf und daß die feierliche Ehrung seitens der Landsmannschaft der Banater Schwaben für Bischof Roos und für uns alle nicht nur eine wunderbare Geste ist, sondern auch ein Beispiel, was die Schätzung jahrzehntelangen Arbeit bedeutet.
Zu diesem Anlaß sprach unsere Kollegin Enikő Sipos mit Bischof em. Martin Roos, der unserem Pressebüro einige Fragen beantwortete.
Der emeritierte Bischof Martin Roos wurde am 17. Oktober 1942 in Knees, im Kreis Temesch, geboren und in der dortigen Pfarrkirche getauft. Er wurde am 3. Juli 1971 in Rottenburg/Neckar von Bischof Carl Joseph Leiprecht für das Bistum Rottenburg-Stuttgart zum Priester geweiht. 1987 wurde Pfarrer Martin Roos zweiter Vorsitzender des Instituts für Donauschwäbische Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. in Stuttgart, 1988 Vorsitzender des Südostdeutschen Priesterwerks Sankt Gerhard, eine Stiftung des Banater Prälaten Josef Nischbach. 1989 ernannte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Pfarrer Roos zum Sprecher der donauschwäbischen katholischen Priester und Gläubigen und zum geistlichen Assistenten des Sankt-Gerhards-Werkes der südostdeutschen Katholiken, gleichzeitig war er auch Redakteur des Quartalsbriefes (an die Priester) und des Gerhardsboten (an die Mitglieder des Gerhards-Werkes).
Nach Augustin Pacha und Sebastian Kräuter wurde Martin Roos am 24. Juni 1999 zum dritten Bischof der Diözese Temeswar ernannt und am 28. August 1999, dem Tag des heiligen Augustinus, vom damaligen Apostolischen Nuntius Dr. Jean-Claude Périsset, Titularerzbischof von Justiniana Prima konsekriert. Mitkonsekratoren waren Endre Gyulay, Bischof von Szeged-Csanád, und Dr. Johannes Kreidler, damals Administrator des Bistums und Weihbischof in Rottenburg, Titularbischof von Edistiana. Seit 2011 ist Seine Exzellenz Ehrendoktor der Theologischen Fakultät Fulda, in Hessen. Bischof Martin weihte 32 Priester, zwei Bischöfe, sowie mehrere Kapellen und Kirchen. Unter seiner Leitung wurde der Kloster- und Wallfahrtskomplex Maria-Radna saniert und restauriert, die Renovierung der St.-Georgs-Kathedrale in Temeswar in die Wege geleitet, die er auch aufmerksam begleitet. Zur Zeit von Bischof Sebastian Kräuter koordinierte er in dessen Auftrag die Restaurierung des Bischofspalais´ in Temeswar, restrukturierte das Diözesanarchiv, die Diözesanbibliothek und richtete das Diözesanmuseum ein. Er ist Autor mehrerer Bände zur Geschichte der Diözese Tschanad/Temeswar, über Maria Radna, den hl. Gerhard, über die Kathedrale zum hl. Georg(Domkirche) zu Temeswar und die Geschichte des Banats. Im Rahmen und Auftrag der Katholischen Bischofskonferenz Rumäniens war er für das kirchliche Kulturgut und die Archive zuständig. Seit 2018 ist Bischof Martin im Ruhestand.
Exzellenz, Bischof Martin Roos, anlässlich des 50-jährigen Jubiläums Ihrer Priesterweihe, bitten wir Sie, mit uns eine „Reise“ in die Vergangenheit zu unternehmen und auf Ihren Lebens- und Glaubensweg, der im Elternhaus begonnen hat und auf den Bischofsstuhl von Temeswar geführt hat, zu blicken. Wie erinnern Sie sich an Ihre Kindheit?
Meine Kindheit war eine glückliche, weil es stets Menschen gab, die sich um mich gekümmert haben, da meine Eltern zunächst nicht zu Hause waren. Mein Vater war im Krieg, dann in englischer Gefangenschaft, meine Mutter wurde nach Russland zu Zwangsarbeit verschleppt, somit wuchs ich bei meinen Großeltern auf, die zum Glück noch rüstig waren und sich um mich kümmern konnten. Sie waren die ganze Zeit meine Ersatz-Eltern. Ich habe meine Mutter mit sieben Jahren kennengelernt, als sie aus der Sowjetunion nach Hause kam, und meinen Vater erst 1962, als ich fast zwanzig war. Die ganze Zeit waren meine Großeltern um mich herum, ich musste nie Hunger leiden, mir fehlte sonst nichts. Natürlich habe ich meine Eltern vermisst, sie waren nicht zu ersetzen. Mein Heimatdorf war relativ ruhig, aber wir alle lebten in recht unruhigen Zeiten. Die allgemeine Atmosphäre war drückend. Der Krieg belastete das Leben aller Dorfbewohner, Front zog durch das Dorf, die Russen feuerten oft ihre Gewehre ab und töteten hier und da auch Menschen. Meine Großmutter war eine sehr resolute Frau, als sowjetische Soldaten mit einem Lastkraftwagen in den Hof fuhren und auf die Schweine schossen, trat sie vor den Soldaten, zeigte auf sich selber und sagte zu ihm auf Deutsch: „Jetzt schießt du mich, und dann noch ein Schwein…“, darauf luden sie die erschossenen Schweine auf und fuhren davon. Die Dorfbewohner mussten ihnen das Essen kochen und ihre Kleidung waschen. Das geschah meist in Gemeinschaftsarbeit, wobei alle mithalfen. Uns Deutschen nahmen man alles vom Hof, Pferde, Kühe, Schweine, Wagen, landwirtschaftliche Geräte und Maschinen, alle Vorräte an Lebensmittel. Sogar einen großen Haufen Brennziegel, mit denen mein Vater einen neuen Stall bauen wollte, selbst den hat man weggeführt!
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Schulzeit?
Ich glaube, ich hatte großes Glück. Die sieben Grundschulklassen konnte ich in meiner Muttersprache absolvieren. Meine Klasse war die letzte, die alle sieben Jahre zu Hause, im Dorf, beenden konnte. Unser Pfarrer Augustin Lehnert, aus Deutsch-Sankt-Peter stammend, war ein sehr lieber Mensch. Wir gingen gerne zu ihm in den Religionsunterricht und dienten an Sonn- und Feiertagen, auch wenn dies in der Schule nicht immer gerne gesehen wurde. Aber die Lehrer waren noch zum Teil aus der „alten Schule“ und ließen es einfach geschehen. An Feiertagen lief ich während der Pause aus der Schule in die Kirche zum Ministrieren und kehrte dann in der nächsten Pause wieder an meinen Platz zurück. Die Lehrer nahmen dies stillschweigend zur Kenntnis. Damals war noch jeden Tag in der Frühe eine heilige Messe, und bevor ich zur Schule ging, ministrierte ich dabei. Manchmal waren wir nur „zu dritt“ in der Kirche: der Pfarrer, der Mesner und ich.
Hat Sie der Ortspfarrer oder andere Personen des geweihten Lebens beeinflusst, den Weg und die Berufung des Priestertums zu wählen?
Nein, für mich war es von Anfang an, seit meiner frühesten Kindheit, seit ich mich erinnern kann, klar, dass ich Priester werden würde. Wie dies kam, kann ich mir nicht erklären. Meine erste Erinnerung ist die Firmung von 1946, an der ich im Alter von ungefähr vier Jahren damals noch unbewusst anwesend war. Es war Bischof Augustin Pacha. Ich erinnere mich nur an ein großes Gedränge in der Kirche, mit vielen Menschen, ich selber dazwischen, der sonst nichts von der großen Feierlichkeit mitbekommen hat. In der Domkirche war ich zum ersten Mal, als Bischof Augustin Pacha hier aufgebahrt war († 4. November 1954). Am Freitag, dem 5. November, als wir zu Mittag aus der Schule kamen, wurde soeben ausgeläutet und die Kunde verbreitete sich rasch, dass Bischof Pacha verstorben sei. Am Sonntag, dem 7. November, fuhr ich mit meinem älteren Cousin in aller Frühe mit dem ersten Zug nach Temeswar, um den toten Bischof zu sehen. Der Dom wurde soeben erst aufgesperrt, als wir ankamen und somit gehörten wir beide zu den ersten, die hier an der Bahre des Bischofs beteten. Diese Augenblicke blieben mir in lebendiger Erinnerung!
Wenn ich mich recht entsinne, wurde unser Pfarrer 1955 nach Groß-Jetscha versetzt. Der Pfarrer von Perjamosch-Haulik, Karl Stefan Ritter, ursprünglich aus Sanktandres, kam nach Knees. Während seiner Zeit beendete ich die Grundschule und es begann die Suche nach dem weiteren Weg und der Richtung, die einzuschlagen war, um zu dem Ziel zu kommen. Er diente hier zwei kurze Jahre und wurde nach Sanktandres versetzt. Wir bekamen einen Pfarrer aus Orzydorf, Johann Schneeweiss. Er war der letzte Pfarrer, der am Ort gewohnt hat. Von da an wurde die Pfarrei nur noch von den Nachbarortschaften aus versehen.
Wo haben Sie Ihr Studium fortgesetzt?
Nach Abschluss der sieben Grundschulklassen bereitete ich mich auf die Kantorenschule in Karlsburg vor. Hier stieß ich auf die ersten Schwierigkeiten, da ich kein Ungarisch verstand und die rumänische Sprachabteilung gerade von Karlsburg nach Jassy verlegt worden war. Ich ließ nicht locker und versuchte, eine Lösung zu finden. Nach einiger Korrespondenz auf eigene Faust, wurde ich als Fernschüler aufgenommen. Man schickte mir das Programm in den einzelnen Fächern zu und ich bereitete mich in eigener Regie auf die Prüfungen vor. Latein habe ich beim Pfarrer gelernt, ebenso das Harmoniumspiel, die anderen Fächer zu Hause. Die erste Prüfung war im Januar 1957. Nach Karlsburg fuhr ich mit einem anderen meiner Cousins, der soeben vom Militär abgerüstet, das er bei Petroschany abgedient hatte und daher „bewanderter“ war als ich. Es war das erste Mal, dass ich so weit von zu Hause wegmusste. Es schien mir wie eine Weltreise. Es war sehr kalt, es schneite und weil der erste Zug große Verspätung hatte, kamen wir erst spät am Abend in Karlsburg an. Eine mit uns dahinschwankende Kutsche brachte uns auf der spiegelglatten, vereisten Straße zur Festung hinauf. Das klapprige arme Pferd schaffte es gerade noch, die Anhöhe zu erklimmen. Vor dem großen, bereits verschlossenen Tor hielten wir an, läuteten länger vergebens, doch schließlich ließ uns jemand ein und wies uns beiden freundlich ein eiskaltes Zimmer zu, wo wir die erste Nacht verbrachten. Am nächsten Tag war die erste Prüfung. Die zweiten Semesterprüfungen fanden in der ersten Junihälfte statt.
Wie haben Sie die Prüfungen bestanden?
Sehr gut! Diese Prüfungen im Januar 1957 waren einige der erfolgreichsten. Das Studieren war kein Problem. Zunächst aber die Sprache. Es hing vom Professor ab, in welcher Sprache ich die Prüfung ablegte. Falls dieser Rumänisch verstand, antwortete ich auf Rumänisch. Falls er Deutsch verstand, wie Professor Ludwig Blédy, war es noch besser. So war die Prüfungsvorbereitung mehrsprachig. Es hing auch davon ab, welche Art von Büchern ich bekam. Denn ich musste mir die Bücher selber beschaffen oder kaufen. Auch der Pfarrer half mir, denn er hatte Bekannte in Temeswar, vor allem Eltern, die solche Bücher für ihre Kinder hatten und sie mir ausliehen. Das Fach Religion erarbeitete ich mir selber aus dem Großen Katechismus von Franz Spirago, den mir der Pfarrer zur Verfügung gestellt hatte. Bei der ersten Prüfung in Religion, übersetzte Professor Michael Tyukodi mir die Fragen von Professor Sturek aus dem Ungarischen ins Deutsche, und meine Antworten für den Professor aus dem Deutschen ins Ungarische, da Professor Sturek aus Siebenbürgen stammte, kein Deutsch verstand und auch das Rumänische nicht sehr beherrschte.
Im zweiten Jahr erlaubte man mir jedoch vom staatlichen Inspektorat nicht mehr, die Prüfungen abzulegen. Somit habe ich dieses Jahr verloren. Im nächsten Jahr wurde ich aber zum Vollzeitstudium zugelassen und zog nach Karlsburg. Ich musste das zweite Jahr wiederholen, also kam ich in eine andere Klasse und beendete mit diesen Mitschülern schließlich die Jahre bis zur Matura. Im Anschluss an die Reifeprüfung folgte die Aufnahmeprüfung auf die Theologische Hochschule.
Hatten Sie Lieblingslehrer?
Ich habe jeden von ihnen gemocht und respektiert, schließlich waren sie es, die uns dem Ziel näherbrachten, jeder auf seine Art und Weise. Domherr Dr. Ferenc Faragó war der Direktor der Kantorenschule, gleichzeitig auch Professor für die Bibelwissenschaften auf der Theologie. Wir waren 33 Schüler in einer Klasse. Diese Zahl war vom Staat vorgegeben, durch den sog. Numerus Clausus. Der derzeitige Generalvikar von Großwardein, Msgr. József Fodor, der verstorbene Bischof von Sathmar Paul Reizer, Msgr. Béla Csató und Msgr. Dr. Árpád Czirják waren einige meiner Klassenkameraden. Nach dem Abschluss der vierjährigen Kantorenschule wechselte ich 1961 auf die Theologie. In der Kantorenschule absolvierten wir von den 33 schließlich 32, von denen 16 mit dem Studium der Theologie begannen. Wer Kantor bleiben wollte, legte eine zusätzliche Prüfung in Orgel und Gesang ab. Wir, die anderen 16, wurden nur auf eigenen Wunsch hin in Musik geprüft. An der Kantorenschule wurde natürlich das praktische Harmoniumspiel gelehrt und geübt. Neben den anderen gängigen Fächern wie Mathematik, Geographie, Geschichte und ungarische Literatur wurde in der Kantorenschule im ersten Jahr der Katechismus gelehrt, im zweiten die Kirchengeschichte, im dritten Moral und im vierten Apologetik unterrichtet. Ich erinnere mich, dass uns der arme Professor zum Beispiel in ungarischer Literatur zeitgenössische sozialistische Lehrstücke vortragen musste. Er lächelte oft dabei. Auf uns hatten die Behörden ein sehr wachsames Auge: Inspektoren kamen sehr oft zur Visitation. Wir waren nie sicher, ob wir unser Studium im jeweiligen Herbst fortsetzen können. Ich lebte unter permanenter Drohung, dass man uns die Schule schließen könnte, oder wir nicht weiterstudieren dürfen, wie etwa bei mir, wo der Vater im Krieg im Deutschen Herr gedient hat.
Wie hat Ihnen Ungarisch gefallen?
Ich mochte die ungarische Sprache. Die Reihenfolge der Wörter im Satz unterscheidet sich stark von der im Deutschen, es ist eine völlig andere Art zu denken, also musste man umlernen, was ich interessant fand. Wir wurden nicht zu sehr gedrängt, jetzt unbedingt und sofort alles auf Ungarisch einzupauken: Die überwältigende Mehrheit waren ohnehin Ungarn, die Vortragssprache im Unterricht wie auch die Umgangssprache in der Klasse und in der gesamten Schule das Ungarische, so war man schon von daher bestrebt, das Ungarische je eher zu erlernen. In unserer Klasse waren nur zwei Deutsche, Adolf Fugel († 2019) von Großsanktnikolaus, und ich. Aber es gab auch Klassen, in denen mehr Schüler kein Ungarisch sprachen. In der Kantorenschule waren aus unserem Bistum über 20 Schüler, auf der Theologie etwa 20-25, das heißt drei oder vier in jedem Studienjahr. Wir aus der Diözese Temeswar standen uns, unabhängig von der Nationalität, sehr nahe. Neben den Deutschen gab es unter uns Bulgaren, Tschechen, Kroaten, auch einige Rumänen. Wenn wir nach den Ferien zum Studium zurückfuhren, trafen wir uns normalerweise in Arad und reservierten ein ganzes Zugabteil oder sogar zwei, so reisten wir, die Kollegen aus dem Banat, gemeinsam nach Karlsburg. Im ersten Studienjahr haben wir unsere Kollegen nur dezent beobachtet, aber im zweiten Jahr waren wir schon neugierig auf die Jüngeren, die nach uns das erste Jahr antraten. Es gab bereits eine gewisse Hierarchie. Als eiserne Regel galt: Während des Studiums an der Kantorenschule durften wir nicht mit Theologiestudenten sprechen. Zu jener Zeit herrschten Strenge und Disziplin sowohl im Seminar wie auf der Kantorschule, die ohnehin praktisch als Kleinseminar geführt wurde!
Hat Ihre Familie Sie bei dieser Entscheidung unterstützt? Welche Ratschläge oder Ermutigungen haben Sie von Ihren Eltern erhalten?
Ehrlich gesagt, war man von meiner Entscheidung nicht sehr begeistert. Mein Heimatdorf war nicht von einer glühenden Religiosität geprägt. An Sonn- und Feiertagen gingen die Leute in die Kirche, aber das war’s. In diesen Jahren war ja nur meine Mutter bei mir, und als sie erfuhr, was ich vorhabe, schrieb sie meinem Vater nach Kanada von meinem Plan. Darauf antwortete mein Vater, ich solle lernen, was ich wolle, und den Beruf ergreifen, den ich mir wünsche. Damit hatte ich gegenüber meiner Mutter die Schlacht gewonnen. Schließlich gab sie notgedrungen nach, hoffte aber im Stillen doch, dass der Sohn eines Tages aus der unwirtlichen Fremde nach Hause zurückkehren würde. Als ich dann in meine ersten Ferien nach Hause kam, stellte mir unser Nachbar, ein alter Schmied, der Ungarisch verstand, einige Fangfragen, die ich prompt beantworten konnte. Solche waren: Wie sagt man auf Ungarisch: altes Eisen? – Ich antwortete, nichts ahnend: ócskavas. – Wie sagt man auf Ungarisch: ein alter Mann? –vénember. – Wie sagt man: alte Stadt? – óváros. – Wie sagt man auf Ungarisch: alte Burg? – régi vár – Und so musste ich ihm mehrere Wörter und Sätze übersetzen, worauf der alte Schmied bei der nächsten Begegnung zu meiner Mutter sagte, (das hat sie mir erst hier in Temeswar, Jahre später, verraten): – Dei´ Martin, de kummt doher nimmi zuruck, do druf brauchscht du nimmi zu warte!
So begann ich Ende September 1961 in Karlsburg das Studium der Theologie. Eines Nachmittags, Ende Oktober, betrat der Spiritual das Studier- bzw. Klassenzimmer, rief mich heraus und eröffnete mir: „Hier habe ich für Sie ein Telegramm, dass Ihr Pass für Kanada gekommen sei.“ Wir hatten uns schon mehrmals für eine Ausreise beworben, aber bis dahin ließen man uns nicht ziehen. Mein Vater arbeitete damals in einer Aluminiumhütte an der Küste des Stillen Ozeans im Wilden Westen Kanadas. Meine Mutter und ich brachen am 4. Februar zunächst nach Bukarest auf, denn nur von dort konnte man fliegen. Bis dahin hatte ich noch nie ein Flugzeug von so nahe gesehen, nur wenn eines am Himmel über dem Dorf dahinflog. In Bukarest wurden wir durch den Zoll nach Gold und weiß der Himmel wonach noch bis auf die Haut gefilzt, danach konnten wir abheben. Die erste Landung war in Wien, die nächste in Zürich, und von dort ging es nach Paris. Am Flughafen von Paris trafen wir zunächst keinen, der Deutsch sprach und wir konnten kein Französisch. Dann versuchte es meine Mutter mit den russischen Brocken, die sie noch aus der Verschleppung her beherrschte. In Paris gab es an diesem Tag kein Flugzeug mehr nach Kanada, nur am nächsten Tag. Also brachte man uns in ein vornehmes Hotel auf der Seine-Insel (Île de la Cité) in der Nähe von Notre Dame, das ich schon von fern her erspäht hatte. Hier übernachteten wir und am nächsten Nachmittag ging es über den Atlantik in Richtung Kanada. Dieser Tag wollte nicht enden, da wir mit der Sonne gen Westen flogen. Wir landeten nach langen Stunden zunächst in Montreal, wo man uns registriert hat, dann gings über Winnipeg nach Vancouver, wo wir spät am Abend landeten. Am nächsten Morgen flogen wir mit einer kleinen Propellermaschine an die Grenze von Alaska, wo uns mein Vater erwarte. Nach einer Autofahrt von fast hundert Kilometern durch hohes Gebirge und Urwald erreichten wir das Städtchen mit der Aluminiumhütte, in der mein Vater seit Jahren arbeitete und lebte. Als ich ankam, stellte ich mich dem örtlichen Pfarrer vor und sagte ihm, dass ich Priester werden wolle. Ich fand eine sehr gut organisierte Pfarrei vor. Der Pfarrer brachte mich zum Bischof, der sehr nett war. Er fragte mich, aus welcher Diözese ich komme, ob ich meinen Bischof in Rumänien kenne, ob auch dieser mich kenne, was ich alles positiv beantworten konnte. Dann schrieb er einen Brief nach Karlsburg und bat um eine Information über mich. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Bischof Áron Márton, von dem ich mich seinerzeit verabschiedet hatte, schrieb anscheinend nur Gutes über mich, so dass Bischof Carrol zu mir sagte: „Ich habe sehr gute Informationen über Dich erhalten. Ich nehme Dich auf!“ Nur hatte ich mich inzwischen schon entschieden, nach Europa, konkret nach Deutschland, zurückzukehren. Auch mein Vater wollte, dass ich in Deutschland studiere. So verbrachte ich insgesamt nur acht Monate in Kanada, in denen ich etwas Englisch aufschnappte. Dann schrieb ich einen Brief an den damals schon in Freiburg lebenden Banater Prälaten Josef Nischbach († 1970), der mich an die Philosophisch-Theologische Hochschule in Königstein im Taunus, bei Frankfurt am Main vermittelt hat. Dies war ein interdiözesanes Seminar, das viele Studenten aus den kommunistisch regierten Ländern auf das Priestertum vorbereitete: aus Ungarn, der Tschechoslowakei, Polen, Jugoslawien, aus Rumänien war allerdings ich der einzige. Wir waren also hier eine ziemlich bunte Gesellschaft, später kamen auch noch Spanier, Katalanen und Inder hinzu. Ich wurde zwar aufgenommen, doch musste ich das Abitur, unsere Matura, durch Ergänzungsprüfungen bestätigen lassen und auch noch Hebräisch und Griechisch nachholen.
Nach diesen Ausführungen haben Sie in Ihrer Jugend Ungarisch, Rumänisch, Englisch, Latein, Hebräisch, Griechisch gelernt … Eine reiche „Sammlung“ an Sprachen…
Das waren damals die Voraussetzungen um weiterzukommen! In diesem Seminar in Königstein hatte man die Möglichkeit, nach dem vierten Studiensemester, eine Diözese zu wählen, in der man später seinen Dienst ausüben wollte. Es war wieder Prälat Nischbach, mein Mentor und Schutzgeist, der mir vorschlug, das Bistum Rottenburg-Stuttgart zu wählen, weil man dort offen genug war und uns gut und gerne aufnahm. So ging ich nach Abschluss meines Studiums in Königstein für ein Jahr in das Diözesanseminar von Rottenburg am Neckar. Es war ein Pastoralkurs, nach dem ich zum Diakon geweiht wurde und als solcher einer Stuttgarter Pfarrei auf ein Jahr zugeteilt wurde. Hier habe ich unter einem erfahrenen Pfarrer gepredigt, getauft, Ehen eingesegnet, Religionsunterricht gehalten, Wortgottesdienste gefeiert, Krankenkommunion gebracht, beerdigt. Ende dieses Jahres wurde ich am 3. Juli 1971 zum Priester geweiht. Damals waren wir noch 25 Diakone im Weihekurs – einer der letzten so zahlreichen in der Diözese. An meiner Weihe nahmen auch meine Eltern teil, da sie sich inzwischen in Deutschland niedergelassen hatten. Nach meiner Priesterweihe war ich anderthalb Jahre in einer anderen Pfarrei in Stuttgart als Kaplan – in Württemberg nennt man diese „Vikar“ – zugeteilt. Dann schlug mir der Personalreferent des Ordinariats drei Pfarreien zur Auswahl vor, die ich besuchen und dann entscheiden sollte, welche ich wählen würde. Habe mir die erste angeschaut: Sie hatte eine schöne barocke Pfarrkirche, die dem heiligen Georg geweiht war – wie unsere Kathedrale in Temeswar – und über dem Hauptaltar befand sich im Auszug das Bild, das den heiligen Johannes von Nepomuk – Schutzpatron des Banats – darstellte. Damit war meine Entscheidung gefallen, die anderen beiden Pfarreien habe ich mir nicht einmal mehr angeschaut! So bin ich für die restlichen Jahre nach Stimpfach in Württemberg, im Kreis Schwäbisch Hall, gekommen. Und es begann mit der Renovierung der Kirche, außen und innen, der Erneuerung des alten Geläuts, das zum Teil noch aus dem 15. Jahrhundert stammte, eine neue Orgel wurde gebaut, das Pfarrhaus saniert und erneuert… – Wer arbeiten will, findet immer etwas zu tun. Ich habe hier sechzehn schöne Jahre verbracht!
Wie groß war die Pfarrei dort?
Ungefähr zweitausend Gläubige. Es war eine lebendige und aktive Pfarrei. Zu meinen Aufgaben als Pfarrer gehörten der Religionsunterricht an der Schule mit acht Klassen, die Verwaltung des Kindergartens mit zwei Abteilungen. Für Letzteres habe ich weder in Karlsburg, noch später in Deutschland eine Ausbildung erhalten. Ich hatte zwei Ordensschwestern, die mir halfen: eine im Kindergarten, die andere kümmerte sich um die Kranken. Es gab einen Krankenverein, der dem Pfarrer und dem Kirchengemeinderat unterstand. Es gab einen satzungsgemäß funktionierenden Kirchengemeinderat und verschiedene Ausschüsse: einen eigenen für die Verwaltung der Kirchengemeinde, einen für den Kindergarten, einen für die Liturgie, einen für den Krankenpflegeverein, die alle ihre Verwaltung und ihre regelmäßigen Sitzungen hatten. Die Hauptaufgabe aber waren die pastoralen Dienste: die Gottesdienste, an Sonn- und Feiertagen vier am Vormittag, sonst täglich eine Messe, abwechselnd in den verschiedenen Kirchen, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen, Vorbereitungen zur Firmung, zur Eheschließung. Auch die Gläubigen haben mir sehr geholfen. Ich erinnere mich an eine humorvolle Episode: Der Weihbischof kam ins Dorf zur Firmung. Sein Fahrer wusste nicht, wo das Pfarrhaus war, also hielt er eine Passantin – leider eine etwas verwirrte – an, und der Weihbischof fragte: „Wo ist das Pfarrhaus?“, worauf diese zu ihm im schwäbischen Dialekt: „Trottl, jeder woiß, wo´s Pfarrhaus isch!“
Herr Bischof, wie oft haben Sie Rumänien damals besucht?
Ich bin fast jedes Jahr nach Hause gekommen, solange meine Großeltern noch am Leben waren. Aber auch danach kamen wir zu unseren Verwandten, die fast alle noch hier waren. Ebenso habe ich viele der damaligen Priester des Bistums, die ich kannte, Ordinarius Kernweisz, Generalvikar Dr. Cziza, und eine Reihe anderer, mit denen ich zum Teil auch befreundet war, gerne besucht.
Gab es an der Grenze Probleme?
Nein. Man musste bezahlen, um eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, die für einen Zeitraum von zwei Wochen erteilt wurde, aber verlängert werden konnte. Man musste sich bei der Ortspolizei, der Militz, wie sie damals hieß, melden. Anfangs war alles strenger gehandhabt, später lockerer.
Als Sie zurück in die Diözese Temeswar kamen, was haben Sie hier vorgefunden?
Nach den turbulenten Weihnachtstagen von 1989 begann die endgültige Abwanderung der deutschsprachigen Gläubigen aus dem Banat und dem Bistum, aber auch anderer Volksgruppen, so dass die Zahl der Einwohner drastisch zurückgegangen ist. Ich kannte die Situation hier zu Hause und für mich stand bereits in den Weihnachtstagen 1989, nachdem sich die Dinge geändert hatten, der Entschluss fest, dass ich zurückgehen werde. Ich habe mich in Deutschland wohl gefühlt, aber meine Heimat war nach wie vor hier. Zunächst sagte ich keinem etwas von meiner Entscheidung. Nachdem die große Hilfswelle aus Deutschland angelaufen war und die ersten Transporte kamen, war ich im Januar 1990 mit dabei. Meine erste Reise war voller Abenteuer. Auf dem großen LKW, der tiefgefrorene Butter geladen hatte, gab es keinen freien Platz mehr in der Kabine. Wenn ich aber unbedingt mitwolle, meinte der Capo des Unternehmens, dann könne ich ganz oben im Laderaum Platz nehmen, aber nur liegend, denn aufrecht sitzen könne man da nicht. Also stieg ich hinauf, gehüllt in einen großen Pelzmantel, machte es mir bequem, so gut es ging, und schlief von München bis Temeswar. So war ich Mitte Januar bereits in Temeswar. Hier meldete ich mich bei Ordinarius Sebastian Kräuter († 2008). Ich kannte ihn seit 1957, als wir Kantorschüler mit ihm und seinen Gläubigen zusammen eine Fußwallfahrt von Jahrmarkt nach Maria Radna gemacht haben. Ich kannte auch seinen Bruder, Dr. Franz Kräuter († 1986), Pfarrer und bewanderter Historiker, der mir bereits 1957 die ersten Bücher zur Geschichte des Banats geschenkt hat. Als ich nach Deutschland zurückkehrte, schrieb ich meinem Bischof – damals Professor Dr. Walter Kasper –, dass ich gerne nach Temeswar zurückkehren würde. Er antwortete mir postwendend: „Ich entsende Sie nach Rumänien!“ Das war mehr als ich erhofft hatte. Bischof Kasper, entließ mich ab 1. Juli 1990 zunächst für zwei Jahre, die man danach für weitere fünf Jahre verlängern konnte. Und als diese vorbei waren, hatte ich nochmals fünf Jahre Zeit, um eine endgültige Entscheidung zu treffen, ob ich für immer in Temeswar bleiben wollte oder nicht. Aber noch bevor die zweiten Fünfjahre abgelaufen waren, kam die Ernennung zum Bischof.
Wie haben Sie die Nachricht von der Ernennung zum Bischof aufgenommen?
Ich hatte es nicht erwartet! Niemand in Rom kannte mich außer Kardinal Walter Kasper, mein ehemaliger Bischof. Für mich brachte die Ernennung keine allzu große Veränderung. Natürlich bedeutete es mehr an Verantwortung, aber ich war nie ein Mann, der sich vor der Arbeit gedrückt hätte. Noch in Deutschland, bevor ich hierher zurückgekehrt bin, hatten wir Banater Priester, über die Situation zu Hause gesprochen, also bin ich damals schon sozusagen mit zwei vorgefassten Plänen gekommen: Die Wallfahrtskirche von Maria Radna sollte zum Rang einer Basilica Minor erhoben und das herabgekommene Bischofshaus, das sog. Bischofspalais, von Temeswar sollte seinem ursprünglichen Zweck wieder zugeführt werden. Letzteres bedeutete Räumung, Sanierung und Restaurierung; hier neue zweckentsprechende Strukturierung und funktionsgerechte Einrichtung des Bischöflichen Ordinariats. Ich wusste, in welchem Zustand sich das Bischofspalais damals befand: Wenn ich mich recht entsinne, wohnten im Obergeschoss vierzehn Familien, im Erdgeschoss hatten elf Firmen Räume angemietet. Also beschloss ich zusammen mit dem damaligen bischöflichen Sekretär László Böcskei, dem jetzigen Diözesanbischof von Großwardein, die Bewohner zum Verlassen des Gebäudes aufzufordern. Das war natürlich nicht einfach, denn die Leute lebten seit dreißig oder sogar vierzig Jahren hier und wollten nicht umziehen. „Se întorc popii/Die Popen kehren zurück!“ – Die Nachricht verbreitete sich rasch unter den Mietern und allmählich begann der Exodus. Bald gelang es auch mit Hilfe von Herrn Architekt Franz Braun und Herrn Ingenieur Jakob Willkomm, unseren Mitarbeitern, die Genehmigungen für den Umbau einzuholen, und unter der Leitung von Herrn Architekt Franz Wesinger aus Olching bei München und Herrn Bauunternehmer Constantin Marcu aus Temeswar begannen die umfangreichen Arbeiten. Nach fünf Jahren Arbeit konnte das Ordinariat am 24. September 1995 aus der Corvin-Straße in das alte, sanierte Bischofspalais umziehen.
Herr Bischof, was hat Sie dazu bewogen, die Vergangenheit des Bistums zu erforschen?
Schon als Kind war ich sehr fasziniert, wenn ältere Leute über die Vergangenheit sprachen. Mein Großvater hat mir viel über den Ersten Weltkrieg erzählt, aber ich habe ihm auch viele Fragen gestellt. Später in Stuttgart suchte das Institut für Donauschwäbische Kirchen- und Kulturgeschichte e.V. jemanden, der sich mit der Geschichte des Banats bzw. der Diözese Csanád-Temeswar befassen würde, und man sprach mich an, einen Beitrag über die Zeit des Bistums vom österreich-ungarischen Ausgleich von 1867 bis zum Ersten Weltkrieg 1918 zu schreiben. Dies war meine erste größere Arbeit, die veröffentlicht wurde. Bei einer anderen Gelegenheit suchte man jemanden, der auf etwa zehn Seiten kurz die Wallfahrtsgeschichte von Maria Radna zusammenfasse. Nachdem ich ohnehin über das nötige Material verfügt habe, fiel es mir nicht schwer, diesem Wunsch nachzukommen. Mit dem Ergebnis war man allgemein zufrieden, da und dort erhielt ich sogar Lob und Anerkennung. So hat es angefangen. Als ich nach Temeswar zurückgekehrt war, begannen die Anträge auf Rückerstattung der beschlagnahmten, vom kommunistischen Regime verstaatlichten ursprünglich kirchlichen Gebäude und Liegenschaften. Vor Einreichung der Anträge mussten jedoch die alten Unterlagen, die unsere Eigentumsrechte beweisen, im Archiv gesucht, studiert und die erforderlichen Unterlagen erstellt werden. Mein späterer Generalvikar, der heutige Bischof László von Großwardein, meinte, man solle das Thema, nachdem man die Dokumente mit so viel Mühe gesammelt und bearbeitet habe, auch schriftlich aufarbeiten. So wurde diese Thematik geboren und seitdem „erscheint“ ein Band nach dem anderen, die Serie ist nach vorne ist offen…
An was erinnern Sie sich als Bischof besonders gerne?
Die schönsten Jahre waren die der kanonischen Besuche. Wenn ich mich recht erinnere, besuchte ich in acht Jahren die gesamte Diözese, Pfarreien und Filialen. Mich interessierten dabei vor allem die Umstände in denen meine Priester lebten und arbeiteten, wie sie ihr Leben eingerichtet haben und führten. Unter und mit den Priestern ihren Alltag in all seinen Höhen und Tiefen mit zu leben, war eines der großen Anliegen. Ich blieb gerne und lange in den Pfarreien, um dort die Gläubigen zu treffen, mit ihnen zu leben und Eucharistie zu feiern, war jedes Mal ein Erlebnis. Ich erinnere mich noch mit großem Mitgefühl an einen Jugendlichen, der durch einen Unfall für sein ganzes Leben querschnittgelähmt ans Bett gefesselt ist, und den ich damals kennengelernt habe. Aber auch an all die Alten und Kranken unserer Gemeinden, die ich damals besucht habe und die wohl alle schon in der Ewigkeit sind und für uns Fürsprache einlegen.
Mit welchen Gedanken blicken Sie auf die pastorale Tätigkeit eines halben Jahrhunderts zurück?
Ich bin dankbar für alle Gnaden, Chancen und Möglichkeiten, die mir Gott auf meinem bewegten Lebensweg geschenkt hat, für die Berufung in Seine Kirche, zum Priestertum, zum Bischof in meinem Heimatbistum. Um Vergebung bitte ich für alle meine Sünden, Versäumnisse, Mängel, Unvollkommenheiten und Fehler. Mein Leben war ziemlich „ausgefüllt“, daher behalte ich viele schöne Erinnerungen, für die ich Gott dankbar bin. Was noch bleibt, ist das Gericht: Gott sei mir Sünder gnädig!
Herr Bischof, wie sieht Ihr derzeitiger Arbeitsplan aus? Mit welchen Arbeiten haben Sie die Geschichtsschreibung unserer Diözese bereichert und an welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit?
Mein Arbeitsplan war bis vor kurzem unverändert: Normalerweise saß ich am Schreibtisch oder vor dem Computer. Morgens habe ich die heilige Messe in der Kapelle gefeiert und am gemeinsamen Gebet mit den anderen Mitbrüdern des Ordinariats teilgenommen. Das hat sich seit einer Herzattacke geändert. Mit den verbliebenen Kräften muss ich vorsichtig sein und das Arbeitsprogramm einschränken; leider muss ich nun mehr ruhen als arbeiten. Zurzeit schreibe ich am dritten Band der Monographie über unsere Kathedrale, die Domkirche. Der letzte Band der Reihe zur Geschichte der Diözese steht noch aus. Jedenfalls habe ich noch Pläne, es wird mir nicht langweilig. Den Rest der Zeit, die Gott mir noch schenkt, möchte ich sinnvoll nutzen. Unter anderem könnte die Liste der Priester und Pfarreien von der Gründung der Diözese Tschanad bis heute noch erstellt werden.
Mir wurde schon vor Jahrzehnten gesagt, dass das, was ich vorhabe, für ein einziges Leben „sehr viel“ sei. Aber wenn Zeit und Gesundheit es erlauben würden, wäre es durchaus machbar!
Herr Bischof, vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit!