Bei der großen Schlussmesse der katholischen Weltsynode im Petersdom hat Papst Franziskus die katholische Kirche aufgerufen, pastorale Dringlichkeiten und Probleme der Welt, in der wir leben, zu sehen. „Eine sitzende Kirche, die sich fast ohne es zu bemerken aus dem Leben zurückzieht und sich selbst an die Ränder der Wirklichkeit verbannt, ist eine Kirche, die Gefahr läuft, in Blindheit zu verharren und sich in ihrem eigenen Elend einzurichten“, erklärte der Papst.
Stefanie Stahlhofen – Vatikanstadt
Rund 5.000 Menschen waren zur feierlichen Messe im Petersdom versammelt; neben den rund 360 Synodenmitgliedern – Kardinälen, Bischöfen, Ordensmännern und -Frauen sowie auch Laien, waren auch zahlreiche weitere Gläubige gekommen. „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ war das Leitwort der Synode im Vatikan. Synodalität meint die Beteiligung aller Glieder des Volkes Gottes am gemeinsamen Voranschreiten der Kirche. Ausgehend vom Sonntagsevangelium (Mk 10,46), das vom blinden Bettler Bartimäus berichtet, der Jesus laut um Hilfe ruft, und von ihm gehört und geheilt wird, zog Franziskus eine Parallele zur synodalen Kirche:
„Von Bartimäus sagt das Evangelium, dass ,er ihm auf seinem Weg nachfolgte`. Das ist ein Bild für die synodale Kirche: Der Herr ruft uns, er hilft uns auf, wenn wir sitzen oder gefallen sind, er lässt uns das Augenlicht wiedererlangen, damit wir im Licht des Evangeliums die Sorgen und Leiden der Welt erkennen; und so, vom Herrn wiederaufgerichtet, erleben wir die Freude, ihm auf seinem Weg nachzufolgen.“
„Das ist ein Bild für die synodale Kirche: Der Herr ruft uns, er hilft uns auf, wenn wir sitzen oder gefallen sind, er heilt uns von unserer Blindheit, damit wir im Licht des Evangeliums die Sorgen und Leiden der Welt erkennen“
Dem Herrn folge man auf dem Weg nach – und das bedeute auch, sich nicht in eigenen Bequemlichkeiten oder Gedanken zu verschließen: „Denken wir immer daran: Nicht allein oder nach den Kriterien der Welt unterwegs sein, sondern auf dem Weg gehen, gemeinsam hinter ihm und mit ihm“, betonte Franziskus.
Blindheit hat viele Namen…
Die Blindheit des Bartimäus nahm Papst Franziskus als Metapher für verschiedenen Formen der Blindheit, die die katholische Kirche und die Menschen treffen können: Konkret sprach er hier etwa von einer inneren Blindheit, „die uns blockiert, die uns sitzen bleiben lässt, die uns an den Rändern des Lebens unbeweglich macht, ohne dass es noch Hoffnung gibt“. Franziskus führte in diesem Zusammenhang zudem ein verschlossenes Herz an (der Papst hat noch während der Synode auch eine Enzyklika zum Heiligsten Herzen Jesu veröffentlicht), Weltlichkeit und Bequemlichkeit. Es gehe hier darum, Jesus wahrzunehmen, wenn er vorbei komme und dabei könne die Synode helfen:
„Es ist schön, wenn die Synode uns antreibt, eine Kirche nach Art des Bartimäus zu sein: Gemeinschaft der Jünger, die, wenn sie den Herrn vorüberziehen hört, das Prickeln der Erlösung verspürt, sich von der Kraft des Evangeliums aufwecken lässt und beginnt, zu ihm zu rufen. Sie tut dies, indem sie das laute Rufen aller Frauen und Männer der Erde aufnimmt: den Ruf derer, die die Freude des Evangeliums entdecken wollen, und den Ruf derer, die sich entfernt haben; den stummen Ruf derer, die gleichgültig sind; den Schrei der Leidenden, der Armen und der Ausgegrenzten…“
Stimme, ja „Schrei“ aller hören
Konkret nannte Franziskus hier Kindersklaven als Beispiel, aber er rief auch allgemeiner dazu auf, die Stimme all jener zu hören, „die nicht einmal mehr die Kraft haben, zu Gott zu rufen, entweder weil sie keine Stimme haben oder weil sie aufgegeben haben. Wir brauchen keine Kirche, die sitzenbleibt und aufgibt, sondern eine Kirche, die das laute Rufen der Welt aufnimmt und – ich will es sagen, auch wenn mancher vielleicht schockiert sein kann – eine Kirche, die sich die Hände schmutzig macht, um dem Herrn zu dienen. “
Dass der blinde Bartimäus nicht mehr sitze, sondern aufspringe, sei ein Sinnbild dafür, dass er nun Gottes Willen erkennen und ihm nachfolgen könne, erklärte der Papst weiter zum Evangelium. In diesem Zusammenhang mahnte er:
„Dies ist die synodale Kirche: eine Gemeinschaft, in der die Gabe des Geistes an erster Stelle steht, der uns alle zu Brüdern und Schwestern in Christus macht und uns zu ihm erhebt“
„Brüder, Schwestern: nicht eine sitzende Kirche, eine stehende Kirche. Keine stille Kirche, eine Kirche, die den Schrei der Menschen hört. Nicht eine blinde Kirche, sondern eine von Christus erleuchtete Kirche, die den anderen das Licht des Evangeliums bringt. Nicht eine statische Kirche, eine missionarische Kirche, die mit dem Herrn auf den Straßen der Welt unterwegs ist.
Die Herrlichkeit des Heiligen Geistes
Bei der Messe war auch die „Kathedra Petri“ zu sehen, ein antiker Holzthron, der den Primat Petri symbolisiert. Er war im Zusammenhang mit der Restaurierung des Bernini-Kunstwerkes in der Apsis des Petersdoms, das als „Hülle“ für die antike Reliquie dient, entnommen worden und ist nun für die Gläubigen bis 8. Dezember sichtbar, bevor er wieder eingeschlossen wird. Darauf nahm Papst Franziskus, der sich am Ende der Messe kurz Zeit für die Verehrung der Reliquie nahm, in seiner Predigt ebenfalls kurz Bezug:
„Und heute, da wir dem Herrn für den Weg danken, den wir gemeinsam zurückgelegt haben, werden wir die sorgfältig restaurierte Reliquie der antiken Kathedra des heiligen Petrus sehen und verehren können. (…) Und wenn wir den prächtigen Baldachin von Bernini bewundern, glänzender denn je, entdecken wir wieder, dass er den wahren Brennpunkt der gesamten Basilika umrahmt, nämlich die Herrlichkeit des Heiligen Geistes. Dies ist die synodale Kirche: eine Gemeinschaft, in der die Gabe des Geistes an erster Stelle steht, der uns alle zu Brüdern und Schwestern in Christus macht und uns zu ihm erhebt.“
Auch der Bernini-Baldachin über dem Hauptaltar im Petersdom ist jüngst restauriert worden und bereits seit einigen Tagen wieder in altem Glanz sichtbar.
„Dies ist die synodale Kirche: eine Gemeinschaft, in der die Gabe des Geistes an erster Stelle steht, der uns alle zu Brüdern und Schwestern in Christus macht und uns zu ihm erhebt“
Es gelte also, sämtliche Blindheit dem Herrn anzuvertrauen, aufzustehen und gemeinsam die Freude des Evangeliums der Welt zu verkünden, so der abschließende Appell von Papst Franziskus bei der Schlussmesse der Synode. Hauptzelebrant der Messe war Kardinal Mario Grech, der Generalsekretär der Bischofssynode.
Quelle: www.vaticannews.va/de
Foto: www.vaticannews.va