Welttag der Großeltern und älteren Menschen

„Ich bin alle Tage mit dir“

Es ist schlimm zu sehen, dass alte Menschen ausgesondert werden, das ist etwas Schlimmes, es ist Sünde! Man wagt es nicht offen zu sagen, aber man tut es! Es liegt etwas Niederträchtiges in dieser Gewöhnung an die Wegwerfkultur. (GENERALAUDIENZ Mittwoch, 4. März 2015)

Ich hatte die Gnade, in einer Familie aufzuwachsen, in der der Glaube auf einfache, konkrete Weise gelebt wurde; aber es war vor allem meine Großmutter, die Mutter meines Vaters, die meinen Glaubensweg geprägt hat. Sie war eine Frau, die uns Jesus erklärte, uns von ihm erzählte, uns den Katechismus beibrachte. Ich erinnere mich immer noch, dass sie uns am Karfreitag abends zur Kerzenprozession mitnahm, und am Ende dieser Prozession kam der »liegende Christus«, und die Großmutter ließ uns – uns Kinder – niederknien und sagte zu uns: »Seht, er ist tot, aber morgen wird er auferstehen.« Ich habe die erste christliche Verkündigung ausgerechnet von dieser Frau empfangen, von meiner Großmutter! Das ist so schön! Die erste Verkündigung zu Hause, mit der Familie! Und das lässt mich an die Liebe so vieler Mütter und so vieler Großmütter in der Weitergabe des Glaubens denken. Sie sind es, die den Glauben weitergeben. Das geschah auch in den ersten Zeiten, denn der heilige Paulus sagte zu Timotheus: »Ich erinnere mich an den Glauben deiner Mutter und deiner Großmutter« (vgl. 2 Tim1,5). Alle Frauen, die hier sind, alle Großmütter, denkt daran: den Glauben weitergeben! Denn Gott stellt uns Menschen an die Seite, die unseren Glaubensweg fördern. Wir finden den Glauben nicht im Abstrakten, nein! Da ist immer ein Mensch, der predigt, der uns sagt, wer Jesus ist; der den Glauben an uns weitergibt, uns die erste Verkündigung bringt. Und so war die erste Glaubenserfahrung, die ich hatte. (PFINGSTVIGIL MIT DEN KIRCHLICHEN BEWEGUNGEN – ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS, Samstag, 18. Mai 2013)

Im Blick auf den Bereich der Familie möchte ich auf etwas hinweisen: Heute, am Fest der heiligen Joachim und Anna, wird in Brasilien wie in anderen Ländern der Tag der Großeltern gefeiert. Wie wichtig sind sie doch im Leben der Familie, um jenes Erbe an Menschlichkeit und an Glauben weiterzugeben, das wesentlich ist für jede Gesellschaft. Und wie wichtig sind die Begegnung und der Dialog zwischen den Generationen vor allem im Kreis der Familie. Das Dokument von Aparecida erinnert uns daran: „Kinder und alte Menschen bauen die Zukunft der Völker auf; die Kinder, weil sie die Geschichte weiterführen; die Alten, weil sie die Erfahrung und die Weisheit ihres Lebens weitergeben“ (Nr. 447). Diese Beziehung, dieser Dialog zwischen den Generationen ist ein Schatz, der bewahrt und gepflegt werden muss! Auf diesem Weltjugendtag wollen die Jugendlichen die Großeltern grüßen. Sie grüßen sie mit großer Herzlichkeit. Die Großeltern – wir grüßen die Großeltern. Sie, die jungen Menschen, grüßen ihre Großeltern mit großer Herzlichkeit und danken ihnen für das Zeugnis der Weisheit, das sie uns unaufhörlich geben. (APOSTOLISCHE REISE NACH RIO DE JANEIRO ZUM XXVIII. WELTJUGENDTAG, PAPST FRANZISKUS, ANGELUS, Freitag, 26. Juli 2013)

Die Erinnerung unserer alten Menschen ist die Stütze, um auf dem Weg weiterzugehen. Die Zukunft der Gesellschaft, und konkret der italienischen Gesellschaft, ist verwurzelt in den alten und den jungen Menschen: letztere, weil sie die Kraft und das Alter haben, um die Geschichte weiterzutragen; erstere, weil sie das lebendige Gedächtnis sind. Ein Volk, das sich nicht um die Alten, die Kinder und die jungen Menschen kümmert, hat keine Zukunft, weil es die Erinnerung und die Verheißung misshandelt. (BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS AN DIE TEILNEHMER DER 47. SOZIALWOCHE DER ITALIENISCHEN KATHOLIKEN [Turin, 12.-15. September 2013])

Aber ich frage euch: Hört ihr auf die Großeltern? Öffnet ihr euer Herz dem Gedächtnis, das uns die Großeltern schenken? Die Großeltern sind die Weisheit der Familie, sie sind die Weisheit eines Volkes. Und ein Volk, das nicht auf die Großeltern hört, ist ein Volk, das stirbt! Hört auf die Großeltern! Maria und Josef sind die durch die Gegenwart Jesu geheiligte Familie; er ist die Erfüllung aller Verheißungen. Jede Familie ist, wie jene von Nazareth, in die Geschichte eines Volkes eingefügt und kann nicht existieren ohne die vorangegangenen Generationen. Und darum haben wir heute hier die Großeltern und die Kinder. Die Kinder lernen von den Großeltern, von der vorangegangenen Generation. (ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS AN DIE FAMILIEN, DIE IM JAHR DES GLAUBENS NACH ROM GEPILGERT SIND Petersplatz Samstag, 26. Oktober 2013)

Das Gedächtnis unserer Vorfahren bringt uns dazu, ihren Glauben nachzuahmen. Es ist wahr, manchmal ist das Alter etwas unerfreulich, wegen der Krankheiten, die es mit sich bringt. Aber die Weisheit unserer Großeltern ist das Erbe, das wir erhalten sollen. Ein Volk, das seine Großeltern nicht ehrt, hat keine Zukunft, denn es hat seine Erinnerung verloren. Eleasar ist sich angesichts des Martyriums der Verantwortung bewusst, die er der Jugend gegenüber hat. Er denkt an Gott, aber auch an die Jugend: ›Ich muss der Jugend bis zum Schluss ein Vorbild an Kohärenz sein. (PAPST FRANZISKUS, FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS „DOMUS SANCTAE MARTAE“, Dienstag, 19. November 2013)

Die Alten bringen das Gedächtnis und die Weisheit der Erfahrung ein, die dazu einlädt, nicht unsinnigerweise dieselben Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Die Jugendlichen rufen uns auf, die Hoffnung wieder zu erwecken und sie zu steigern, denn sie tragen die neuen Tendenzen in sich und öffnen uns für die Zukunft, so dass wir nicht in der Nostalgie von Strukturen und Gewohnheiten verhaftet bleiben, die in der heutigen Welt keine Überbringer von Leben mehr sind. (APOSTOLISCHES SCHREIBEN EVANGELII GAUDIUM DES HEILIGEN VATERS PAPST FRANZISKUS, 108)

Das Zeugnis der Familie wird entscheidend vor der ganzen Gesellschaft, wenn es darum geht, den Wert des alten Menschen zu bekräftigen als Subjekt einer Gemeinschaft, als jemand, der eine Sendung zu erfüllen hat und nur scheinbar empfängt, ohne etwas zu geben. »Jedes Mal, wenn wir versuchen, in der jeweils gegenwärtigen Lage die Zeichen der Zeit zu erkennen, ist es angebracht, die Jugendlichen und die Alten anzuhören. Beide sind die Hoffnung der Völker. Die Alten bringen das Gedächtnis und die Weisheit der Erfahrung ein, die dazu einlädt, nicht unsinnigerweise dieselben Fehler der Vergangenheit zu wiederholen« (ebd., 108). Eine Gesellschaft nimmt das Leben wirklich an, wenn sie anerkennt, dass es auch im Alter, mit einer Behinderung, in schwerer Krankheit wertvoll ist und ebenso dann, wenn es verlöscht: wenn sie lehrt, dass die Berufung zur menschlichen Verwirklichung Leiden nicht ausschließt, ja wenn sie vielmehr lehrt, im kranken und leidenden Menschen ein Geschenk für die ganze Gemeinschaft zu sehen, eine Gegenwart, die zu Solidarität und Verantwortung aufruft. Das ist das Evangelium des Lebens, das ihr durch eure wissenschaftliche und professionelle Kompetenz und gestützt von der Gnade zu verbreiten berufen seid. (BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS AN DIE TEILNEHMER DER GENERALVERSAMMLUNG DER PÄPSTLICHEN AKADEMIE FÜR DAS LEBEN)

Die Begegnung der jungen Menschen mit den Großeltern ist entscheidend. Einige Bischöfe aus einigen Ländern, die sich in der Krise befinden, sagten mir, dass dort wo es eine hohe Jugendarbeitslosigkeit gibt, ein Teil der Lösung  darin besteht, dass die Großeltern für den Unterhalt sorgen. Sie beginnen wieder, sich mit den Großeltern zu treffen, die Großeltern haben eine Rente, sie verlassen das Altenheim und kehren in die Familie zurück und dazu bringen sie ihre Erinnerung mit, diese Begegnung. (NSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS AN DIE MITGLIEDER DER PÄPSTLICHEN KOMMISSION FÜR LATEINAMERIKA, Clementina-Saal, Freitag, 28. Februar 2014)

Das Alter ist in besonderer Weise eine Zeit der Gnade, in der der Herr uns seinen Ruf erneuert: Er beruft uns dazu, den Glauben zu bewahren und weiterzugeben, er beruft uns zu beten, speziell im Fürbittgebet; er beruft uns, denen nahe zu sein, die es brauchen… Die Alten, die Großeltern besitzen eine Fähigkeit, die schwierigsten Situationen zu verstehen – eine bedeutende Fähigkeit! (BEGEGNUNG DES PAPSTES MIT ALTEN MENSCHEN, ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS, Petersplatz, Sonntag, 28. September 2014)

In der Überlieferung der Kirche gibt es einen Weisheitsschatz, der stets eine Kultur der Nähe zu den alten Menschen unterstützt hat, die Bereitschaft zur liebevollen und solidarischen Begleitung in diesem letzten Teil des Lebens. Diese Überlieferung ist in der Heiligen Schrift verwurzelt, wie zum Beispiel diese Worte aus dem Buch Jesus Sirach bezeugen: »Verachte nicht die Überlieferung der Alten, die sie übernommen haben von ihren Vätern. Dann wirst du Einsicht lernen, um antworten zu können, sobald es notwendig ist« (Sir 8,9). Die Kirche kann und will sich nicht einer Mentalität der Unduldsamkeit anpassen, und schon gar nicht der Gleichgültigkeit und der Verachtung gegenüber dem Alter. Wir müssen das kollektive Bewusstsein der Dankbarkeit, der Anerkennung, der Annahme neu erwecken, damit der alte Mensch sich als lebendiger Teil seiner Gemeinschaft fühlt. Die alten Menschen sind Männer und Frauen, Väter und Mütter, die vor uns auf unserem Weg, in unserem Haus waren, in unserem täglichen Kampf um ein Leben in Würde. Es sind Männer und Frauen, von denen wir viel empfangen haben. Der alte Mensch ist kein Fremder. Der alte Mensch sind wir: über kurz oder lang, auf jeden Fall unabwendbar, auch wenn wir nicht daran denken. Und wenn wir nicht lernen, die alten Menschen gut zu behandeln, dann wird man uns ebenso behandeln. Wir alten Menschen sind alle etwas gebrechlich. Einige sind jedoch besonders schwach, viele sind allein und von der Krankheit gezeichnet. Einige sind angewiesen auf unerlässliche Behandlungen und die Fürsorge anderer. Sollen wir deshalb einen Schritt zurück tun? Sollen wir sie ihrem Schicksal überlassen? Eine Gesellschaft ohne Nähe, wo Unentgeltlichkeit und Liebe ohne Gegenleistung – auch unter Fremden – im Verschwinden begriffen sind, ist eine pervertierte Gesellschaft. Die Kirche, dem Wort Gottes treu, kann solche Entartungen nicht dulden. Eine christliche Gemeinschaft, in der Nähe und Unentgeltlichkeit nicht mehr als unverzichtbar betrachtet würden, verlöre mit ihnen ihre Seele. Wo die alten Menschen nicht geehrt werden, gibt es keine Zukunft für die jungen Menschen. (PAPST FRANZISKUS, GENERALAUDIENZ, Mittwoch, 4. März 2015)

Der Herr sondert uns niemals aus. Er ruft uns in jedem Lebensalter zur Nachfolge, und auch das Alter birgt eine Gnade und eine Sendung in sich, eine wahre Berufung des Herrn. Das Alter ist eine Berufung. Es ist noch nicht der Augenblick, »die Ruder einzuziehen«. Dieser Lebensabschnitt ist anders als die vorangegangenen, daran besteht kein Zweifel; wir müssen ihn auch selbst ein wenig zu gestalten wissen, denn unsere Gesellschaften sind geistlich und moralisch noch nicht bereit, diesem Augenblick des Lebens seinen vollen Wert zu geben. Früher war es in der Tat nicht so selbstverständlich, Zeit zur Verfügung zu haben; heute ist es viel normaler. Und auch die christliche Spiritualität traf dies etwas überraschend; es geht jetzt darum, eine Spiritualität der älteren Menschen zu entwerfen. Aber gottlob fehlt es nicht an Zeugnissen heiliger Männer und Frauen! (PAPST FRANZISKUS, GENERALAUDIENZ, Mittwoch, 11. März 2015)

Liebe Großeltern, liebe ältere Menschen, folgen wir der Spur dieser wunderbaren alten Menschen! Werden auch wir ein wenig zu Poeten des Gebets: Finden wir Geschmack daran, nach eigenen Worten zu suchen, machen wir uns jene zu eigen, die das Wort Gottes uns lehrt. Es ist ein großes Geschenk für die Kirche, das Gebet der Großeltern und der älteren Menschen! Das Gebet der älteren Menschen und der Großeltern ist ein Geschenk für die Kirche, es ist ein Reichtum! Eine große Injektion an Weisheit auch für die ganze menschliche Gesellschaft: vor allem für die, die zu geschäftig, zu beansprucht, zu zerstreut ist. Irgendjemand muss den Lobpreis singen, auch für sie, muss Gottes Zeichen lobpreisen, Gottes Zeichen verkündigen, für sie beten! Schauen wir auf Benedikt XVI., der entschieden hat, den letzten Abschnitt seines Lebens im Gebet und im Hören auf Gott zu verbringen! Das ist schön! Ein großer Gläubiger des letzten Jahrhunderts aus der orthodoxen Tradition, Olivier Clément, sagte: »Eine Zivilisation, in der nicht mehr gebetet wird, ist eine Zivilisation, in der das Alter keinen Sinn mehr hat. Und das ist schrecklich, wir brauchen vor allem alte Menschen, die beten, denn dafür ist uns das Alter geschenkt.« Wir brauchen alte Menschen, die beten, denn genau dafür ist uns das Alter geschenkt. Das Gebet der alten Menschen ist etwas Schönes. (PAPST FRANZISKUS, GENERALAUDIENZ, Mittwoch, 11. März 2015)

Die Großeltern werden in unserer Zeit immer vergessen. Jetzt etwas weniger, hier in Italien, denn weil es keine Arbeit gibt und sie eine Rente haben, ja, da erinnert man sich an die Großeltern! Die Großeltern werden jedoch immer vergessen. Und die Großeltern sind das Gedächtnis einer Familie, das Gedächtnis des Landes, das Gedächtnis des Glaubens, denn sie geben ihn uns weiter. Die Großeltern. Und ich stelle euch die Frage: Sprecht ihr mit euren Großeltern? [Sie antworten: »Ja!«]. Fragt ihr eure Großeltern: »Großvater, Großmutter, wie war das? Wie macht man das? Was hast du damals gemacht?«

Tut es, tut es! Die Großeltern sind nämlich ein Quell der Weisheit, denn sie haben das Gedächtnis des Lebens, das Gedächtnis des Glaubens, das Gedächtnis der Spannungen, das Gedächtnis der Konflikte… Und sie sind tüchtig, die Großeltern! Ich spreche sehr gerne mit den Großeltern. Ich erzähle euch eine Anekdote. Neulich, auf dem Petersplatz, in einer Mittwochsaudienz, bin ich mit dem »Papamobil« herumgefahren und habe dort ein altes Großmütterchen gesehen: Man sah, dass sie alt war! Aber sie hatte Augen, die vor Freude glänzten. Und ich ließ das »Papamobil« anhalten und bin herabgestiegen und bin hingegangen, um sie zu begrüßen. Und sie lächelte. »Sagen Sie mir, Großmutter: Wie alt sind Sie?« – »92!« – »Oh gut, wunderbar! Voll Freude! Nennen Sie mir das Rezept, wie man so 92 Jahre alt wird.« Und sie hat zu mir gesagt: »Wissen Sie, ich esse Ravioli!« Und dann fügte sie hinzu: »Und ich mache sie selbst!« Mit dieser Anekdote will ich euch sagen, dass die Begegnung mit den Großeltern immer eine Überraschung ist. Die Großeltern überraschen uns immer: Sie hören uns zu, sie haben eine Geduld!… Wir sprechen von drei Generationen, von mindestens drei. Und auch wenn die Großeltern zuhause leben, helfen sie sehr, die Spannungen zu lösen, die normal sind in einer Familie. Man darf die Großeltern nicht vergessen. Verstanden?  (ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS AN DIE EUCHARISTISCHE JUGENDBEWEGUNG (MEG) Freitag, 7. August 2015)

Die alten Menschen

  1. »Verwirf mich nicht, wenn ich alt bin, verlass mich nicht, wenn meine Kräfte schwinden « (Ps71,9). Das ist der Ruf des alten Menschen, der fürchtet, vergessen und verschmäht zu werden. Ebenso wie Gott uns auffordert, seine Werkzeuge zu sein, um auf das Flehen der Armen zu hören, erwartet er auch, dass wir auf den Schrei der Alten hören.[211] Das ruft die Familien und die Gemeinschaften auf den Plan, denn » die Kirche kann und will sich nicht einer Mentalität der Unduldsamkeit anpassen, und schon gar nicht der Gleichgültigkeit und der Verachtung gegenüber dem Alter. Wir müssen das kollektive Bewusstsein der Dankbarkeit, der Anerkennung, der Annahme neu erwecken, damit der alte Mensch sich als lebendiger Teil seiner Gemeinschaft fühlt. Die alten Menschen sind Männer und Frauen, Väter und Mütter, die vor uns auf unserem Weg, in unserem Haus waren, in unserem täglichen Kampf um ein Leben in Würde. «[212] » Wie sehr möchte ich [darum] eine Kirche, die die Wegwerfkultur herausfordert mit der überreichen Freude einer neuen Umarmung zwischen jungen und alten Menschen! «[213]
  2. Der heilige Johannes Paul II. forderte uns auf, dem Ort des alten Menschen in der Familie Aufmerksamkeit zu schenken, denn es gibt Kulturen, die » infolge einer ungeordneten industriellen und städtebaulichen Entwicklung die alten Menschen in unannehmbarer Weise an den Rand gedrückt haben «[214]und dies immer noch tun. Die alten Menschen helfen, » die Kontinuität der Generationen « wahrzunehmen, mit dem » Charisma, als Brücke zu dienen «.[215] Oft sind es die Großeltern, welche die Weitergabe der großen Werte an die Enkel sicherstellen, und » viele Menschen können feststellen, dass sie ihre Einführung in das christliche Leben besonders den Großeltern verdanken «.[216] Ihre Worte, ihre Zärtlichkeit oder schon allein ihre Gegenwart helfen den Kindern zu erkennen, dass die Geschichte nicht mit ihnen beginnt, dass sie Erben eines langen Weges sind und dass es nötig ist, den Hintergrund zu respektieren, der vor uns war. Wer die Verbindungen mit der Geschichte zerreißt, wird Schwierigkeiten haben, beständige Beziehungen zu knüpfen und anzuerkennen, dass er nicht Herr der Wirklichkeit ist. Daher ist » die Fürsorge für die alten Menschen […] das Unterscheidungsmerkmal einer Zivilisation. Gibt es in einer Zivilisation Fürsorge für den alten Menschen? Gibt es einen Platz für den alten Menschen? Diese Zivilisation wird vorangehen, wenn sie die Klugheit, die Weisheit der alten Menschen zu achten versteht. «[217]
  3. Das Fehlen eines historischen Gedächtnisses ist ein schwerer Mangel unserer Gesellschaft. Es ist die unreife Mentalität des „das war einmal“. Die Ereignisse der Vergangenheit zu kennen und fähig zu sein, ihnen gegenüber eine Stellung zu beziehen, ist die einzige Möglichkeit, eine sinnvolle Zukunft aufzubauen. Ohne Gedächtnis kann man nicht erziehen: » Erinnert euch an die früheren Tage « (Hebr10,32). Die Erzählungen der alten Menschen tun den Kindern und den Jugendlichen sehr gut, weil sie sie mit der lebendigen Geschichte der Familie wie auch des Wohnviertels und des Landes verbinden. Eine Familie, die ihre Großeltern – die doch ihr lebendiges Gedächtnis sind – nicht achtet und betreut, ist eine zerbröckelte Familie; indes ist eine Familie, die sich erinnert, eine Familie mit Zukunft. Daher gilt: » Eine Zivilisation, in der es keinen Platz für die alten Menschen gibt, oder wo sie ausgesondert werden, weil sie Probleme verursachen – diese Gesellschaft trägt den Virus des Todes in sich «[218], weil sie » sich von den eigenen Wurzeln losreißt «.[219] Das Phänomen der heutigen Verwaisung im Sinn einer Diskontinuität, einer Entwurzelung und eines Zusammenbruchs der Gewissheiten, die dem Leben Gestalt verleihen, fordert uns heraus, unsere Familien zu einem Ort zu machen, wo die Kinder sich im Boden einer kollektiven Geschichte verwurzeln können. (NACHSYNODALES APOSTOLISCHES SCHREIBEN AMORIS LAETITIA DES HEILIGEN VATERS FRANZISKUS)

„Ihr seid die Hoffnung für die Zukunft.“ Und das ist wahr. Aber unter zwei Bedingungen! Wollt ihr eine Hoffnung für die Zukunft sein oder nicht? [Ja!] Sicher? [Ja!] Also unter zwei Bedingungen!… Nein, man muss keine Eintrittskarte bezahlen, nein, nein. Die erste Bedingung ist, Erinnerung zu haben. Mich zu fragen, woher ich komme: Erinnerung an mein Volk, Erinnerung an meine Familie, Erinnerung an meine ganze Geschichte. Das Zeugnis der zweiten Freiwilligen war voller Erinnerung, voller Erinnerung! Erinnerung an einen vollbrachten Weg, Erinnerung an das, was ich von den Erwachsenen empfangen habe. Ein junger Mensch ohne Erinnerung kann keine Hoffnung für die Zukunft sein. Ist das klar? [Ja!]

„Pater, und wie kann ich es anstellen, Erinnerung zu haben?“ – Sprich mit deinen Eltern, sprich mit den Erwachsenen. Vor allem sprich mit den Großeltern Ist das klar? Das bedeutet, wenn ihr eine Hoffnung für die Zukunft sein wollt, müsst ihr die Fackel von eurem Großvater, von eurer Großmutter empfangen.

Versprecht ihr mir, dass ihr, um Panama vorzubereiten, mehr mit euren Großeltern reden werdet? [Ja!] Und wenn die Großeltern schon im Himmel sind, werdet ihr mit den alten Menschen sprechen? [Ja!] Und werdet ihr sie fragen? Werdet ihr sie fragen? [Ja!] Fragt sie. Sie sind die Weisheit eines Volkes. (BEGEGNUNG MIT DEN FREIWILLIGEN HELFERN DES WJTs, DEM ORGANISATIONSKOMITEE UND DEN WOHLTÄTERN ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS, Krakau Sonntag, 31. Juli 2016)

Wir haben gesehen, dass das Magnificat aus dem Herzen Marias in dem Augenblick hervorkommt, als sie ihrer alten Cousine Elisabet begegnet. Mit ihrem Glauben, ihrem scharfen Blick und ihren Worten hilft sie der Jungfrau Maria, die Größe des göttlichen Handelns in ihr und der ihr anvertrauten Sendung besser zu begreifen. Und ihr, seid ihr euch der außergewöhnlichen Quelle des Reichtums bewusst, welche die Begegnung zwischen jungen und alten Menschen darstellt? Wieviel Bedeutung messt ihr den Alten, euren Großeltern bei? Richtigerweise strebt ihr danach, flügge zu werden, und tragt große Träume im Herzen. Doch ihr bedürft auch der Weisheit und der Weitsicht der älteren Menschen. Während ihr die Flügel im Wind ausbreitet, ist es wichtig, dass ihr eure Wurzeln entdeckt und das Staffelholz von den Menschen übernehmt, die vor euch da waren. Um eine sinnvolle Zukunft aufzubauen, muss man die Ereignisse der Vergangenheit kennen und ihnen gegenüber Stellung beziehen (vgl. Nachsynodales Apostolisches Schreiben Amoris laetitia, 191.193). Ihr jungen Menschen habt die Kraft, die alten Menschen haben das Gedächtnis und die Weisheit. So wie Maria gegenüber Elisabet, so richtet auch ihr euren Blick auf die älteren Menschen, auf eure Großeltern. Sie werden euch Dinge erzählen, die euren Verstand begeistern und eure Herzen rühren. (BOTSCHAFT ZUM 32. WELTJUGENDTAG,  27 März 2017)

Das Leben bittet die Jugendlichen heute um eine Mission – die Kirche bittet euch um eine Mission, und ich möchte euch diese Mission geben: zurückgehen und mit den Großeltern sprechen. Das brauchen wir heute mehr denn je, wir brauchen diese Brücke, den Dialog zwischen Großeltern und Jugendlichen, zwischen alten und jungen Menschen. Der Prophet Joel sagt dies im 3. Kapitel, Vers 1 als Prophetie: „Eure Alten werden Träume haben, und eure jungen Männer haben Visionen.“ D.h. sie bringen mit den Prophetien die konkreten Dinge voran. Dies ist die Aufgabe, die ich euch im Namen der Kirche gebe: mit den älteren Menschen sprechen. „Aber das ist langweilig…, sie sagen immer die gleichen Dinge…“ Nein. Höre dem älteren Menschen zu. Sprich, erfrage Dinge. Lass sie träumen und geh du selbst durch diese Träume weiter, um prophetisch zu sprechen und um die Prophetie konkret werden zu lassen. Das ist eure Mission heute, das ist die Mission, um die euch die Kirche heute bittet. (GEBETSWACHE IN VORBEREITUNG AUF DEN WELTJUGENDTAG, ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS, Samstag, 8. April 2017)

Diese innere Haltung, das Erbe zu empfangen, es wachsen zu lassen und weiterzugeben, sie ist der apostolische Geist eines Priesters. Die jungen Menschen sollen wissen, dass die Welt nicht mit ihnen beginnt, dass sie die Wurzeln suchen müssen, die historischen und religiösen Wurzeln suchen müssen … Diese Wurzeln wachsen lassen und die Früchte weitergeben müssen. Lehrt die Jugendlichen, nicht entwurzelt zu sein; lehrt sie, mit den Alten zu sprechen. Als ich hier [in die erzbischöfliche Residenz] eintrat, waren da einige Seminaristen aus dem Vorseminar. Ich hätte ihnen – en passant – zwei Fragen stellen sollen, aber ich habe nur eine gestellt, die erste, die selbstverständlichere: „Spielt ihr Fußball?“ Alle: „Ja!“ Die zweite hingegen war: „Besucht ihr eure Opas, die alten Priester? Um ihre Lebensgeschichten zu hören, die Geschichten ihres Apostolats? Die Ausbilder im Seminar müssen die jungen Seminaristen dazu heranführen, den alten Priestern zuzuhören. Dort sind die Wurzeln, dort ist die Weisheit der Kirche. (BEGEGNUNG MIT DEN BISCHÖFEN BANGLADESCHS, Altersheim für Priester (Dhaka), Freitag, 1. Dezember 2017)

Eine Gesellschaft – hört genau hin – eine Gesellschaft, die die Großeltern nicht wertschätzt, ist eine Gesellschaft ohne Zukunft. Eine Kirche, der das Band zwischen den Generationen nicht am Herzen liegt, wird damit enden, das zu verlieren, was wahrhaft zählt, nämlich die Liebe. Unsere Großeltern lehren uns die Bedeutung der ehelichen und der elterlichen Liebe. Sie selbst sind in einer Familie aufgewachsen und haben die Zuneigung von Söhnen und Töchtern, von Brüdern und Schwestern erfahren. Deshalb bilden sie einen Schatz von Erfahrung und ein Schatz an Weisheit für die jungen Generationen. Es ist ein großer Irrtum, die älteren Menschen nicht nach ihren Erfahrungen zu befragen oder zu meinen, dass die Unterhaltung mit ihnen eine Zeitverschwendung ist. (WELTFAMILIENTREFFEN IN IRLAND, FEST DER FAMILIEN, Samstag, 25. August 2018, ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS)

Sprecht mit den alten Menschen, sprecht mit den Großeltern: sie sind die Wurzeln, die Wurzeln eurer Konkretheit, die Wurzeln eures Wachstums, Gedeihens und Fruchtens. Denkt daran: Wenn der Baum alleine ist, wird er keine Früchte tragen. Alles, was der Baum an Blüten hat, kommt von dem, was unter der Erde ist. Dieser Ausdruck stammt von einem Dichter, er ist nicht von mir. Aber das ist die Wahrheit.
Hängt euch an die Wurzeln, bleibt aber nicht dort. Nehmt die Wurzeln und bringt sie voran, um Früchte zu tragen, und auch ihr werdet zu Wurzeln für die anderen. Vergesst nicht die Fotografie, die mit dem Großvater. Sprecht mit euren Großeltern, sprecht mit den alten Leuten, und das wird euch glücklich machen. (BEGEGNUNG DER JUGENDLICHEN MIT DEM HEILIGEN VATER UND DEN SYNODENVÄTERN, ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS, Samstag, 6. Oktober 2018)

Jetzt kommt der Augenblick der Aussendung: Geht hinaus, erzählt, geht hinaus, bezeugt, geht hinaus und gebt das weiter, was ihr gesehen und gehört habt. Tut das nicht mit vielen Worten, sondern so, wie ihr es hier getan habt, mit einfachen Gesten, mit alltäglichen Gesten, die verwandeln und alles neumachen, mit diesen Gesten, die es schaffen, „Wirbel“ zu machen, einen konstruktiven „Wirbel“, einen „Wirbel“ der Liebe. Ich erzähle euch etwas: Als ich am ersten Tag angekommen bin, war da auf der Straße eine Frau mit einem Hut, eine ältere Frau, eine Großmutter; sie stand da, nahe am Absperrzaun, wo ich mit dem Auto vorbeifuhr. Sie hatte eine Plakat, auf dem stand: „Auch wir Großmütter wissen, wie man Wirbel macht!“ Und sie fügte hinzu: „mit Weisheit“. Tut euch mit den Großeltern zusammen, um „Wirbel“ zu machen; das wird ein heftiger Wirbel, ein genialer! Habt keine Angst, geht und sprecht. Die Frau kam mir so alt vor, und ich habe sie nach ihrem Alter gefragt: sie war 14 Jahre jünger als ich. Wie peinlich! (BEGEGNUNG MIT DEN EHRENAMTLICHEN HELFERN DES WELTJUGENDTAGS, ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS, Sonntag, 27. Januar 2019)

Wenn wir uns an unsere grundlegende Begegnung mit dem Herrn erinnern, merken wir, dass diese nicht als eine private Angelegenheit zwischen uns und Gott entstanden ist. Nein, sie ist im gläubigen Volk aufgegangen, neben vielen Brüdern und Schwestern, zu einer bestimmten Zeit und an einem genauen Orten. Das Evangelium sagt es uns, wenn es uns zeigt, wie die Begegnung im Volk Gottes geschieht, in seiner konkreten Geschichte, in seinen lebendigen Traditionen: im Tempel, entsprechend dem Gesetz, im Klima der Prophetie, mit den jungen und alten Menschen zusammen (vgl. Lk 2,25-28.34). So auch das gottgeweihte Leben: es geht auf und blüht in der Kirche; wenn es sich absondert, verwelkt es. Es reift, wenn die Jungen und Alten gemeinsam gehen, wenn die Jungen ihre Wurzeln wiederfinden und die Alten die Früchte ernten. Es stagniert jedoch, wenn man alleine geht, wenn man auf die Vergangenheit fixiert bleibt oder Hals über Kopf vorwärtsläuft, um zu überleben. Heute, am Fest der Begegnung, bitten wir um die Gnade, den lebendigen Herrn im gläubigen Volk wiederzuentdecken und das empfangene Charisma der Gnade des Heute begegnen zu lassen. (FEST DER DARSTELLUNG DES HERRN, 23. WELTTAG DES GEWEIHTEN LEBENS, PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS, Samstag, 2. Februar 2019)

(16.) Zugleich werden die jungen Menschen allerdings angewiesen, sich den Älteren unterzuordnen (vgl. 1 Petr 5,5). Die Bibel lädt immer dazu ein, großen Respekt vor den Älteren zu haben, weil sie einen Schatz an Erfahrung besitzen und Erfolge wie Niederlagen, Freuden und große Schmerzen des Lebens, Hoffnungen und Enttäuschungen erlebt haben. In der Stille ihres Herzens bewahren sie viele Geschichten, die uns helfen können, Fehler zu vermeiden und uns nicht auf falsche Vorspiegelungen einzulassen. Das Wort eines weisen alten Menschen lädt dazu ein, gewisse Grenzen zu beachten und sich im rechten Moment zu beherrschen: »Ebenso ermahne die jüngeren Männer, in allen Dingen besonnen zu sein« (Tit2,6). Es ist nicht gut, einem Kult der Jugend zu verfallen oder eine jugendliche Haltung einzunehmen, welche die anderen wegen ihres Alters verachtet oder weil sie aus einer anderen Zeit stammen. Jesus hat gesagt, dass ein weiser Mensch aus seinem Schatz Neues und Altes hervorzuholen vermag (vgl. Mt13,52). Ein kluger Jugendlicher öffnet sich der Zukunft, ist aber immer fähig, etwas aus der Erfahrung der anderen wertzuschätzen.

(187.) Auf der Synode wurde bekräftigt: »Junge Menschen sind zukunftsorientiert und begegnen dem Leben mit Energie und Dynamik. Sie […] neigen aber auch manchmal dazu, dem Überlieferten aus der Vergangenheit, aus der sie kommen, und insbesondere den vielen Gaben, die ihre Eltern, Großeltern und das kulturelle Erbe der Gesellschaft, in der sie leben, ihnen mitgegeben haben, wenig Beachtung zu schenken. Jungen Menschen zu helfen, den lebendigen Reichtum der Vergangenheit zu entdecken, indem die Erinnerung an diese lebendig gehalten wird und sie diese für ihre eigenen Entscheidungen und Möglichkeiten nutzen, ist für ihre Weiterentwicklung und die Entscheidungen, die sie treffen müssen, ein wahrer Akt der Liebe zu ihnen.«[102]

(188.) Das Wort Gottes legt uns ans Herz, den Kontakt zu den älteren Menschen nicht zu verlieren, um ihre Erfahrung aufnehmen zu können: »Stelle dich in die Schar der Ältesten, wer weise ist, dem schließe dich an! […] Wenn du einen Verständigen siehst, geh frühmorgens zu ihm und dein Fuß trete seine Türschwelle aus!« (Sir 6,34.36). In jedem Fall müssen euch die vielen Jahre, die sie gelebt haben, und all das, was ihnen im Leben passiert ist, dazu führen, auf sie mit Achtung zu schauen: »Du sollst vor grauem Haar aufstehen« (Lev 19,32), denn »der Ruhm der Jungen ist ihre Kraft, die Zier der Alten ihr graues Haar« (Spr 20,29).

(192.) In der Weissagung des Joël finden wir eine Ankündigung, die uns erlaubt, dies auf sehr schöne Weise zu verstehen. Sie lautet: »Danach aber wird Folgendes geschehen: Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben und eure jungen Männer haben Visionen« (Joël3,1; vgl. Apg 2,17). Wenn die jungen Menschen und die älteren sich dem Heiligen Geist öffnen, so bringen sie gemeinsam eine wunderbare Verbindung hervor. Die älteren Menschen träumen und die jungen haben Visionen. Auf welche Weise ergänzen sich diese beiden Dinge?

(193.) Die älteren Menschen haben von Erinnerungen, von den Bildern vieler erlebter Dinge durchwirkte Träume, die von der Erfahrung und den Jahren gekennzeichnet sind. Wenn die jungen Menschen sich in den Träumen der älteren festmachen, wird es ihnen gelingen, die Zukunft zu sehen, und können sie Visionen haben, die den Horizont öffnen und ihnen neue Wege zeigen. Wenn aber die älteren Menschen nicht träumen, können die jungen nicht mehr klar den Horizont sehen.

(194.) Es ist gut, unter den Dingen, die unsere Eltern aufbewahrt haben, einige Erinnerungsstücke zu finden, die uns erlauben, uns das vorzustellen, was unsere Großeltern sich für uns erträumt haben. Jeder Mensch hat von seinen Großeltern, noch bevor er geboren wurde, als Geschenk den Segen eines Traums erhalten, der voll von Liebe und Hoffnung ist: jener von einem besseren Leben. Und wenn er ihn von seinen Großeltern nicht erhalten hat, so hat sicher jemand von den Urgroßeltern es geträumt und sich für ihn gefreut, als er in der Wiege seine Kinder und dann seine Enkel betrachtete. Der erste Traum, der schöpferische Traum Gottes, unseres Vaters, geht dem Leben all seiner Kinder voraus und begleitet es. Sich an diesen Segen zu erinnern, der sich von Generation zu Generation erstreckt, ist ein wertvolles Erbe, das wir lebendig halten müssen, um es unsererseits weitergeben zu können.

(195.) Deshalb ist es gut, die älteren Menschen lang erzählen zu lassen, auch wenn sie zuweilen mythologisch, phantasievoll scheinen, – es sind Träume von Senioren –, aber oftmals sind sie voll von wertvoller Erfahrung, von aussagekräftigen Zeichen, von versteckten Botschaften. Diese Erzählungen erfordern Zeit und dass wir uns einfach so darauf einrichten, mit Geduld zuzuhören und zu interpretieren, weil sie länger sind als das gewohnte Format einer Nachricht in den sozialen Netzwerken. Wir müssen akzeptieren, dass die ganze Weisheit, derer wir für das Leben bedürfen, nicht innerhalb der Grenzen eingeschlossen sein kann, die von den gegenwärtigen Kommunikationsmöglichkeiten auferlegt werden.

(197.) Was können wir Ältere den jungen Menschen geben? »Den jungen Menschen von heute, die ihre Mischung aus heroischen Bestrebungen und Unsicherheiten erleben, können wir in Erinnerung rufen, dass ein Leben ohne Liebe ein unfruchtbares Leben ist.«[106]Was können wir ihnen sagen? »Den ängstlichen jungen Menschen können wir sagen, dass die Sorge um die Zukunft überwunden werden kann.«[107]Was können wir sie lehren? »Die jungen Menschen, die zu sehr in Sorge sind über sich selbst, können wir lehren, dass man eine größere Freude im Geben als im Nehmen erfährt und dass die Liebe sich nicht nur mit Worten zeigt, sondern auch mit den Werken.«[108]

(199.) Wenn wir gemeinsam gehen, junge und ältere Menschen, werden wir gut in der Gegenwart verwurzelt sein können. Aus dieser Position heraus werden wir in der Lage sein, mit der Vergangenheit und der Zukunft im Austausch zu stehen: mit der Vergangenheit, um von der Geschichte zu lernen und die Wunden zu heilen, die uns zuweilen beeinträchtigen; mit der Zukunft, um den Enthusiasmus zu nähren, die Träume aufsprießen zu lassen, prophetische Visionen zu erwecken, Hoffnungen blühen zu lassen. Auf diese Weise werden wir vereint voneinander lernen, die Herzen erwärmen, unseren Geist mit dem Licht des Evangeliums inspirieren und unseren Händen neue Kraft verleihen können.

(201.) Auf der Synode hat einer der Auditoren, ein junger Mann aus Samoa, gesagt, dass die Kirche ein Kanu ist, in dem die Älteren helfen, den Kurs beizubehalten, indem sie die Position der Sterne beobachten, während die jungen Menschen kraftvoll rudern und sich das vorstellen, was sie später erwartet. Lassen wir uns nicht vom Weg abbringen, weder von den Jugendlichen, die meinen, dass die Erwachsenen eine Vergangenheit darstellen, die nicht mehr zählt, die schon überholt ist, noch von den Erwachsenen, die glauben, immer zu wissen, wie sich die Jugendlichen zu verhalten haben. Steigen wir vielmehr alle in das gleiche Kanu und suchen wir alle gemeinsam unter dem immer neuen Antrieb des Heiligen Geistes nach einer besseren Welt. (NACHSYNODALES APOSTOLISCHES SCHREIBEN CHRISTUS VIVIT VON PAPST FRANZISKUS)

Die Weisheit der alten Menschen, ihre Erfahrung und ihre Fähigkeit, mit dem Herzen zu »denken«. Jemand könnte einwenden: »Aber Vater, man denkt doch mit dem Kopf!« Nein, das stimmt nicht: Man denkt mit dem Kopf und mit dem Herzen, das ist eine Fähigkeit, die wir entwickeln müssen. Die Fähigkeit, mit dem Herzen zu denken. Und diese Erfahrungen der alten Menschen sind eine wertvolle Lehre, um eine fruchtbare Methode der Fürbitte zu erlernen.  (INTERNATIONALE BEGEGNUNG DES GEBETSNETZES DES PAPSTE, ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS, Freitag, 28. Juni 2019)

Liebe Brüder und Schwestern!
Ich heiße euch, die Teilnehmer an der Ersten Internationalen Tagung zur Altenseelsorge – »Der Reichtum der Jahre« – herzlich willkommen. Sie wird veranstaltet vom Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben; und ich danke Kardinal Farrell für seine freundlichen Worte. Der »Reichtum der Jahre« ist der Reichtum der Menschen, jedes einzelnen Menschen, der viele Lebensjahre, viel Lebenserfahrung und eine lange Geschichte hinter sich hat. Er ist der kostbare Schatz, der auf dem Lebensweg jeden Mannes und jeder Frau Gestalt annimmt, unabhängig von ihren Wurzeln, ihrer Herkunft, ihrer wirtschaftlichen Situation oder ihrer gesellschaftlichen Stellung. Denn das Leben ist ein Geschenk, und wenn es lang ist, ist es ein Privileg, für sich selbst und für die anderen. Immer, immer ist es so.
Im 21. Jahrhundert ist das Alter zu einem der Merkmale der Menschheit geworden. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat die Bevölkerungspyramide – die früher auf einer großen Zahl an Kindern und Jugendlichen fußte und an ihrer Spitze wenige alte Menschen hatte – sich umgekehrt. Während die alten Menschen früher einen kleinen Staat hätten bevölkern können, so könnten sie heute einen ganzen Kontinent bevölkern. In diesem Sinne ist die massive Präsenz alter Menschen eine Neuheit für jedes soziale und geographische Umfeld der Welt. Außerdem entsprechen dem Alter heute unterschiedliche Lebensabschnitte: Für viele ist es die Zeit, in der die Produktivität nachlässt, die Kräfte zurückgehen und Anzeichen von Krankheit, Hilfsbedürftigkeit und sozialer Isolierung auftreten; für viele jedoch ist es der Beginn einer langen Zeit psychischen und physischen Wohlergehens und der Freiheit von beruflichen Verpflichtungen.
Wie soll man – in beiden Situationen – diese Jahre leben? Welchen Sinn soll man dieser Lebensphase geben, die für viele lang sein kann? Die gesellschaftliche Orientierungslosigkeit und vielfach die Gleichgültigkeit und die Ablehnung, die unsere Gesellschaften gegenüber den alten Menschen zum Ausdruck bringen, rufen nicht nur die Kirche, sondern alle Menschen auf, ernsthaft darüber nachzudenken, um zu lernen, den Wert des Alters zu begreifen und anzuerkennen. Denn während die Staaten sich einerseits der neuen demographischen Situation auf wirtschaftlicher Ebene stellen müssen, braucht die Zivilgesellschaft andererseits Werte und Sinn für die älteren und alten Menschen. Und vor allem hier liegt der Beitrag der kirchlichen Gemeinschaft.
Daher habe ich die Initiative dieser Tagung, die die Aufmerksamkeit auf die Altenseelsorge gerichtet und eine Reflexion über die Auswirkungen einer nicht unerheblichen Präsenz von Großeltern in unseren Pfarrgemeinden und in der Gesellschaft in Gang gesetzt hat, mit Interesse angenommen. Ich bitte euch, dass dies keine Einzelinitiative bleiben, sondern den Beginn eines Weges der pastoralen Vertiefung und der Entscheidungsfindung darstellen möge. Wir müssen unsere pastoralen Gewohnheiten ändern, um auf die Präsenz vieler alter Menschen in den Familien und Gemeinden antworten zu können. In der Bibel ist Langlebigkeit ein Segen. Sie konfrontiert uns mit unseren Schwächen, mit der gegenseitigen Abhängigkeit, mit unseren familiären und gemeinschaftlichen Bindungen und vor allem mit unserer göttlichen Kindschaft. Wenn er dem Menschen ein hohes Alter gewährt, schenkt Gott, der Vater, ihm die Zeit, ihn – Gott – selbst besser kennenzulernen, die Vertrautheit mit ihm zu vertiefen, um immer mehr in sein Herz einzutreten und sich ihm hinzugeben.
Es ist die Zeit, sich darauf vorzubereiten, unseren Geist in seine Hände zu legen, endgültig, mit kindlichem Vertrauen. Es ist jedoch auch eine Zeit erneuerter Fruchtbarkeit. »Sie tragen Frucht noch im Alter«, sagt der Psalmist (Ps 91,15). Denn der Heilsplan Gottes wird auch in der Armut des schwachen, unfruchtbaren und kraftlosen Leibes verwirklicht. Aus Saras unfruchtbarem Mutterschoß und aus dem fast hundertjährigen Leib Abrahams ist das auserwählte Volk hervorgegangen (vgl. Röm 4,18-20). Aus Elisabet und dem alten Zacharias ist Johannes der Täufer geboren. Der alte Mensch kann sich, auch wenn er schwach ist, zum Werkzeug der Heilsgeschichte machen. Im Bewusstsein um diese unersetzliche Rolle der alten Menschen wird die Kirche zum Ort, an dem die Generationen aufgerufen sind, den Liebesplan Gottes miteinander zu teilen, in einer Beziehung des gegenseitigen Austauschs der Gaben des Heiligen Geistes. Dieser generationenübergreifende Austausch verpflichtet uns, die alten Menschen mit anderen Augen zu betrachten, um zu lernen, gemeinsam mit ihnen in die Zukunft zu blicken.
Wenn wir an die alten Menschen denken und von ihnen sprechen, besonders in der pastoralen Dimension, dann müssen wir lernen, die Tempora der Verben etwas zu verändern. Es gibt nicht nur die Vergangenheit, so als gäbe es für die alten Menschen nur ein Leben, das hinter ihnen liegt, und ein vermodertes Archiv. Nein. Der Herr kann und will mit ihnen auch neue Seiten schreiben – Seiten der Heiligkeit, des Dienstes, des Gebets… Heute möchte ich euch sagen, dass auch die alten Menschen die Gegenwart und das Morgen der Kirche sind. Ja, sie sind auch die Zukunft einer Kirche, die gemeinsam mit den jungen Menschen prophetisch spricht und träumt! Darum ist es wichtig, dass alte und junge Menschen miteinander sprechen, das ist sehr wichtig.
Die Prophezeiung der alten Menschen wird verwirklicht, wenn das Licht des Evangeliums in ganzer Fülle in ihr Leben eintritt; wenn sie, wie Simeon und Anna, Jesus in die Arme nehmen und die Revolution der Zärtlichkeit verkündigen, die Frohe Botschaft dessen, der in die Welt gekommen ist, um das Licht des Vaters zu bringen. Darum bitte ich euch, keine Mühen zu scheuen, um den Großeltern und den alten Menschen das Evangelium zu verkündigen. Geht auf sie zu mit einem Lächeln im Gesicht und dem Evangelium in den Händen. Geht hinaus auf die Straßen eurer Pfarrgemeinden und sucht die alten Menschen auf, die allein leben. Das Alter ist keine Krankheit, sondern ein Privileg! Die Einsamkeit kann eine Krankheit sein, aber mit Liebe, Nähe und geistlichem Trost können wir sie heilen.
Gott hat ein großes Volk von Großeltern überall in der Welt. In den säkularisierten Gesellschaften vieler Länder hat die jetzige Elterngeneration heutzutage meist nicht jene christliche Bildung und jenen lebendigen Glauben, den die Großeltern dagegen an ihre Enkel weitergeben können. Sie sind das unverzichtbare Glied in der Kette, um die Kinder und Jugendlichen zum Glauben zu erziehen. Wir müssen uns daran gewöhnen, sie in unsere pastoralen Horizonte einzubeziehen, und sie nicht nur sporadisch als lebenswichtigen Bestandteil unserer Gemeinden zu betrachten. Sie sind nicht nur Menschen, denen wir beistehen und die wir schützen müssen, um ihr Leben zu bewahren, sondern sie können Handlungsträger einer Evangelisierungspastoral, bevorzugte Zeugen der treuen Liebe Gottes sein. Daher danke ich allen, dass ihr eure pastoralen Kräfte den Großeltern und den alten Menschen widmet. Ich weiß, dass euer Einsatz und eure Reflexion aus der konkreten Freundschaft mit vielen alten Menschen heraus entstehen. Ich hoffe, dass das, was heute die Sensibilität einiger weniger ist, zum Schatz jeder kirchlichen Gemeinschaft werden möge. Habt keine Angst, ergreift Initiativen, helft euren Bischöfen und euren Diözesen, den pastoralen Dienst an den alten Menschen und mit den alten Menschen zu fördern. Lasst euch nicht entmutigen, geht voran! Das Dikasterium für die Laien, die Familie und das Leben wird euch auch weiterhin bei dieser Arbeit begleiten.
Auch ich begleite euch mit meinem Gebet und meinem Segen. Und vergesst bitte nicht, für mich zu beten. Danke! (ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS AN DIE TEILNEHMER DER ERSTEN INTERNATIONALEN TAGUNG ZUR ALTENSEELSORGE, Freitag, 31. Januar 2020)

Ich möchte dass wir heute für die alten Menschen beten, die diesen Moment auf besondere Weise durchleiden, mit einer enormen inneren Einsamkeit und mitunter mit sehr viel Angst. Lasst uns den Herrn bitten«, fügte er hin zu, dass er unseren Großeltern, unseren Großmüttern, allen alten Menschen nahe sei und ihnen Kraft gebe. Sie haben uns Weisheit, Leben und Geschichte gegeben. Auch wir sind ihnen mit dem Gebet nahe. (PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS, Dienstag, 17 März 2020)

Am Gedenktag der Heiligen Joachim und Anna, der »Großeltern« Jesu, möchte ich die jungen Menschen einladen, eine Geste der Zärtlichkeit gegenüber den älteren Menschen zu tun, insbesondere gegenüber den Einsamsten, in den Wohnungen und in den Heimen, jenen gegenüber, die ihre Lieben seit vielen Monaten nicht mehr gesehen haben. Liebe junge Leute, jeder dieser älteren Menschen ist euer Großvater! Lasst sie nicht allein! Bedient euch der Phantasie der Liebe, ruft sie an, führt Videoanrufe, sendet ihnen Nachrichten, hört sie an und wo es unter Einhaltung der Gesundheitsvorschriften möglich ist, besucht sie auch! Schickt ihnen eine Umarmung. Sie sind eure Wurzeln. Ein Baum, der von seinen Wurzeln getrennt wird, wächst nicht, er bringt keine Blüten und Früchte hervor. Deshalb sind die Einheit und Verbindung mit den eigenen Wurzeln wichtig. »Was der Baum an Blüten trägt, kommt aus dem, was er unter der Erde hat«, sagt ein Dichter meiner Heimat. Deshalb lade ich euch alle ein, unseren Großeltern kräftig zu applaudieren! (PAPST FRANZISKUS, ANGELUS, Sonntag, 26. Juli 2020)

Übermorgen, am 2. Februar, feiern wir das Fest der Darstellung Jesu im Tempel, als die beiden hochbetagten Simeon und Anna vom Heiligen Geist erleuchtet Jesus als den Messias erkannten. Der Heilige Geist weckt auch heute noch in den alten Menschen Gedanken und Worte der Weisheit: Ihre Stimme ist kostbar, weil sie das Lob Gottes singt und die Wurzeln der Völker bewahrt. Sie erinnern uns daran, dass das Alter ein Geschenk ist und dass die Großeltern das Bindeglied zwischen den Generationen sind, um die Lebens- und Glaubenserfahrung an die Jugend weiterzugeben. Die Großeltern werden oft vergessen und wir vergessen diesen Reichtum des Bewahrens der Wurzeln und der Weitergabe. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, den Welttag der Großeltern und Senioren einzuführen, der in der ganzen Kirche jedes Jahr am vierten Sonntag im Juli stattfinden soll, in der Nähe des Festes der Heiligen Joachim und Anna, der »Großeltern« Jesu. Es ist wichtig, dass sich die Großeltern mit den Enkeln treffen und die Enkel mit den Großeltern, denn – wie der Prophet Joël sagt – die Großeltern werden vor den Enkeln träumen, Illusionen [große Wünsche] haben, und die jungen Leute, die von ihren Großeltern gestärkt werden, sie werden vorwärts gehen, sie werden prophezeien. Und genau am 2. Februar ist das Fest der Begegnung der Großeltern mit den Enkeln. (PAPST FRANZISKUS, ANGELUS, Sonntag, 31. Januar 2021)

Quelle: www.laityfamilylife.va

Übersetzung: www.vatican.va