Maria Radna feiert heuer ein doppeltes Jubiläum: 500 Jahre seit der Errichtung der ersten Kapelle im damaligen Weinberg, am Ort der jetzigen Wallfahrtskirche, aber auch 200 Jahre seit der Kosekrierung des Gotteshauses durch den Erzbischof von Gran/Esztergom, durch den damaligen Fürstprimas Alexander Rudnay. Auch wenn die Gesundheitsvorschriften keine grossen Feierlichkeiten erlauben, kann der historische Moment nicht unmarkiert bleiben.
Die Ereignisse der Vergangenheit werden in schriftlichen Chroniken aufbewahrt; Augenzeugen sprechen am authentischsten über die jüngsten und gegenwärtigen Ereignisse. Die nächsten Seiten enthalten die Worte unterschiedlichen Menschen: Gottesdiener, ältere Menschen, die an ihrer Religion festhalten, junge Menschen, die im Glauben aufwachsen, Bewahrer unserer gemeinsamer Feste und Pilger am jahrhundertealten Gnadenort von Maria-Radna.
Pfr. Gábor Czank stammt aus unserer Diözese und hat Wurzeln, bzw. viele Freunde und Bekannte in Arad-Schega, Petschka, Turnu und Iratoș. Er war von 1994 bis 1998 Schüler des Römisch-Katholischen Lyzeums Gerhardinum in Temeswar und begann danach seine theologischen Studien in Alba Iulia/ Karlsburg. Diese beendete er in Segedin, wo er zum Priester der Schwesterdiözese Segedin-Tschanad geweiht wurde. Pfr. Czank war eine Zeit lang Seelsorger in Mako, pflegt aber schöne Kontakte zu seiner Heimatdiözese, zu den Priestern und Gemeinden unserer Gegend und steht mit uns in Verbindung, bzw. hilft uns öfters in der Pressearbeit. Zur Zeit ist er als Pfarrer in Gyomaendrőd tätig und kümmert sich um das spirituelle Leben weiteren drei Gemeinden. Er ist bekannt unter seinen Facebook-Freunden – und nicht nur – für seine wundervollen Zeichnungen aus dem Alltag, bzw. aus dem religiösen Leben der Deutschen und Ungarn des Banats, vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, aber auch für seine besondere Verehrung der Gottesmutter Maria von Radna und von Tschiklowa.
– Herr Pfarrer, Sie sind bei den Altarbrüdern und Gläubigen als Verehrer Unserer Lieben Frau bekannt. Welche Kindheitserinnerungen haben Sie mit dem Radna-Heilgtum verbunden?
– Zunächst möchte ich ganz herzlich die Leser unseres Interviews begrüssen und ich danke Ihnen, dass Sie an mich gedacht haben, meine Erinnerungen an Maria Radna den Lesern bekannt zu machen. Ich erinnere mich, dass es 1987 oder 1988 gewesen sein könnte, als wir von Tornya nach Radna fuhren; damals war ich in Tornya bei meinen Großeltern, in den Ferien. Ich ging mit meiner Großmutter auf der Pilgerfahrt. Die damaligen Pilgerfahrten waren interessant… Das kommunistische System war noch in vollem Gange, so dass es völlig undenkbar war, einen Bus mit dem Grunde „Pilgerfahrt nach Radna“ zu vermieten. Aus diesem Grunde organisierte die örtliche Kollektivfarm (CAP) entweder am Pfingstfest, am 15. August oder 8. September einen „Ausflug“ nach Lippa zum dortigen Heilbad. Das bedeutete natürlich, dass wir nach Radna gingen…
– Wie erinnern Sie sich an die Pilgerfahrten während der kommunistischen Diktatur? Wie haben die Gläubigen Ihrer Meinung nach die Beziehung zu Mariaradna im Geiste gepflegt?
– Während des Kommunismus war es nicht einfach, eine Pilgerreise zu organisieren, da es in Siedlungen, wo es keinen Bahnhof gab, unmöglich war, von dort aus mit dem Zug zu reisen. Und es war nicht einfach, einen Bus zu bekommen – aber irgendwie wurde das Problem immer gelöst. Auf dem Bestellpapier stand: „Ausflug zu den Ruinen der Burg von Schoimosch“ oder „Ausflug zum Kurort/ nach Bad Lippa“ und egal wie, der Bus bog jedes mal, von der Hauptstraße links ab, kurz vor der Wallfahrtskirche Maria Radna. Natürlich erreichte die Pilgerfahrt nicht immer ihr Ziel. Ich erinnere mir, dass ein oder zwei Mal, Busse die Petschka verließen, von einem Militz-Mann, der gesehen hat, dass die Leute im Bus ein Kirchenkreuz und Fahnen mittrugen und dass ein jeder einen Blumenstrauß in der Hand und einen Rosenkranz um den Hals trug, den Fahrzeug auf halber Strecke zurückschickte. Der „Milițian“ erkannte bald, dass wir höchstwahrscheinlich mit Prozessionsflaggen nicht in die Thermalbäder von Lippa gehen wollten, sondern anderswohin… Ich erinnere mir, dass zu dieser Zeit trotz der Verbote viel mehr Menschen nach Radna kamen. Besonders aus den deutschen Dörfern wie Glogowatz, Neuarad und Sanktanna kamen viele Pilger mit Blaskapellen und Flaggen. Aber es gab immer auch eine große Gruppe Bulgaren aus Vinga und Altbeschenowa, und die Schar der Kroaten aus Karaschowa in ihren schönen, bestickten Trachten, mit ihren Spitzen-Kopftüchern – alldies war ein besonderer Höhepunkt der Wallfahrt nach Radna.
– Im Laufe der Jahre entwickelten Sie sich spirituell in der Nähe von Priester, die tief die Gottesmutter Maria verehren. In welcher Beziehung standen sie zu Radna und wie haben Sie Ihre Bindung zum Wallfahrtsort gestärkt?
– Unter den Pfarrern möchte ich József Heinrich, Árpád Király und Ferenc Czeglédi erwähnen. Ich bin unter dem Schutz ihrer Hände am Altar aufgewachsen, und von hier führte mein Weg zum Priestertum. Alle drei sind zutiefst Marienverehrer. Als kleines Kind ist das Gebet des Rosenkranzes, die verschiedenen Litaneien zur Gottesmutter, die Novenen und Andachten in meiner Seele fast „aufgewachsen“. Ich konnte bei ihnen nicht nur diese innige Ehrfurcht vor der Jungfrau Maria sehen, sondern sie haben es stets verkündet und vorgelebt.
– Herr Pfarrer, Ihre Familie hat ungarische und deutsche Wurzeln im Banat. Wie wirkte sich diese Zugehörigkeit und Spiritualität zu den beiden Nationen auf Ihren Respekt vor Unserer Lieben Frau, die Verbundenheit mit Radna und die Pilgerfahrten aus ungarischen Gemeinden nach Radna aus?
– In der Tat ist meine Familie tief Katholisch und tief marianisch geprägt. Fast ein jeder war Mitglied des Rosenkranzvereins – ich selber bin mit 13 Jahren ebenfalls Mitglied dieser Gruppe geworden. So war der marianische Geist, den ich über unsere Pfarrer in der Kirche erlebte, auch bei uns zu Hause präsent. Wie in fast jeder Familie im Banat hatten auch wir einen „Hausaltar“ mit der Statue Unserer Lieben Frau, auf dem wir an Feiertagen Kerzen anzündeten. Als ich mich als Theologiestudent im ungarischen Teil der alten Diözese Tschanad niederließ, kam ich nach meiner Priesterweihe in Pfarreien und Tochtergemeinden, die vor allem in den 1920er Jahren eine enge Beziehung zu Radna hatten. Ich war ein Jahr lang als Diakon in Békéscsaba tätig. Die Slowaken won dort gingen immer in großer Zahl zu Fuß nach Radna. Am Rande der Stadt steht auch heute noch das sogenannte schöne „Radna-Kreuz“- denn von dort aus begann jedes Mal die Pilgerfahrt nach Radna. Dann wurde ich als Kaplan nach Békésszentandrás ernannt – wo gleichfalls die Erinnerung an die Pilgerfahrten nach Radna präsent war. Sie gingen einst nach Radna und haben sich den Pilgern von Kunszentmárton angeschlossen.Meine Kaplanjahre setzten sich mit Újkígyós fort, wo ich eigentlich zum Pfarrer ernannt wurde. Dieses Dorf war auch eine Siedlung, die in Radna gut repräsentiert ist. Auf den Treppen zur Basilika, auf der Zwischenesplanade befindet sich auch heute noch ein Kreuz, das von den Gläubigen von Újkígyós vor vielen, vielen Jahren gestiftet und vor einigen Jahren sogar frisch renoviert wurde. Von hier aus wurde ich als Pfarrer in Makó geschickt. Die Makóer haben ebenfalls eine Kreuzwegstation auf dem Kalvarienberg in Radna, die auch ihre Verbindung zum Wallfahrtsort zeigt. Und ich diene schon seit acht Jahren in Endrőd (Gyomaendrőd) – in der Kirche von Endrőd halten wir immer noch die Kirchen- bzw. Wallfahrtsfahne von Radna, mit der die Vorfahren nach Radna pilgerten. Die Menschen von Endrőd haben ebenfalls eine Kreuzwegstation auf dem Kalvarienberg in Radna errichtet. An jedem meiner Dienstorte freuten sich die Gläubigen, dass ich die Wiederbelebung der Pilgerfahrten nach Radna eingeleitet habe, denn sie kannten den Namen Radna sehr gut aus den Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern. So organisierten wir in jeder der genannten Gemeinden, jedes Jahr, die Pilgerfahrt nach Radna.
– Die Atmosphäre der Pilgerfahrten in Maria Radna ist besonders, manchmal sehr unterschiedlich. Welche Erfahrungen haben Sie in besonderer Weise in Erinnerung?
– Jede Pilgerreise nach Radna hat ihre eigenen schönen Momente: berührende Szenen, wunderschön singende Pilgergruppen, erhebende Liturgien in der Kirche.Für mich persönlich, eine der schönsten Erfahrungen war, als mein Vater und ich 1992 nach Radna pilgerten, als Papst Johannes Paul II. der Kirche den Rang einer Basilika Minor verliehen hat, was „kleine päpstliche Basilika“ bedeutet. Es war ein wunderschönes Fest.Mein Vater kaufte mir ein Schwarzweißbild von Radna, das ich immer noch in meinem Brevier aufbewahre.
– Was bedeutet Maria Radna für Sie?
– Ich verdanke meine priesterliche Berufung Unseren Lieben Frau von Radna. Die Pilgerfahrten nach Radna, seit meiner Kindheit, die tiefe Religiosität unserer Banater Leute verhalfen mir auf dem Weg zum Altar. Während die Harnisch-Brüder, Pater Ernő und Pater Placidus noch am Leben waren, haben sie am Nachmittag der Wallfahrtsreise das Herz von Erzbischof und Fürstprimas Rudnay unseren Gläubigen gezeigt, das in einem Glasgefäß, in einer Wandnische, neben dem Altar der Hl. Anna aufbewahrt wird.Als kleines Kind habe ich beschlossen, mein Herz in Radna ebenfalls begraben zu lassen… Heute weiß ich, dass dies kaum möglich sein würde, aber als junger Priester entschied ich, dass ich aus Dankbarkeit meine erste Hl. Messe am Altar der Jungfrau von Radna halten würde. Das ist auch so passiert. Am 18. Juni 2005 wurde ich in Szeged zum Priester geweiht. Am nächsten Tag, Nachmittags, hielt ich mein erstes Messopfer am weissem Marmor-Altar von Radna, in perfekter Stille, in der leeren Kirche. Nur mein Pfarrer, Ferenc Czeglédi war anwesend. Das ist eine der schönsten und bestimmendsten Erinnerungen meines Lebens: diese erste Hl. Messe, die ich in Dankbarkeit am Altar Unserer Lieben Frau von Radna feiern durfte. Ich denke, dass dies deutlich zeigt, was Maria Radna für mich bedeutet.
– Das Pressebüro der Diözese Temeswar bedankt sich herzlichst für das Gespräch!